Louis Spohr
Er war der "deutsche Paganini", ein wahrer Teufelsgeiger, und zugleich ein gediegener Komponist: Der gebürtige Braunschweiger Louis Spohr (1784–1859) gehörte zur europäischen Virtuosengeneration von Paganini, John Field, Bernhard Romberg, George Onslow und Ferdinand Ries. Er erlebte den Aufstieg, Erfolg und Tod bedeutender Komponisten wie Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Felix Mendelssohn und Robert Schumann mit. Der Zeitzeuge von Klassik und Romantik ist dennoch nicht leicht zu verorten – und gerade dies macht ihn zu einem spannenden Sonderfall.
Schon in den Nekrologen waren sich die Zeitgenossen uneins, wie man Spohr, den Virtuosen, und Spohr, den Komponisten von über 300 Werken, zu bewerten habe. Dabei spielte eine nicht unerhebliche Rolle, dass Spohrs hühnenhafte Gestalt kaum zu seiner leichten Muse passen wollte. So schrieb der Komponist Johann Andreas Romberg 1862: "Obwohl von Person eine riesige mächtige Gestalt, von der man Händelsche Cyclopenschläge gegen die Herzen der Hörer erwarten könnte, klagt und weint er am liebsten." Seine Musik sei vergleichbar mit einem Fluss: "Er strömt in ewiger Ruhe und Glätte, zwischen immer gleichen flachen Ufern, durch blühende Wiesen und fruchtbare Felder. Er schäumt nie am Felsgestade; es thürmen sich an seinen Ufern nirgends pittoreske Felsen auf." In England erkannte man Spohr um die Jahrhundertmitte zwar als "patriarch of German musical composition" an (Dwight’s journal of music, 1854), doch war man sich in einem einig: "Spohr ist ganz unberührt von Beethoven geblieben" (Wilhelm von Lenz, 1855).
Tatsächlich gehört Spohrs Musik, auch und besonders seine Violinmusik – mit 15 Violinkonzerten –, einer eigentümlichen musikalischen "Zwischengeneration" an, die Beethoven zwar kannte und die aufstrebende Romantik wahrnahm, aber weder an grüblerischem "Sturm-und-Drang" noch an romantischer Weltflucht interessiert war. Stattdessen pflegte er eine vermittelnde, lyrisch-poetische Musiksprache: Er sei ein "Lyriker des Instrumentalsatzes" hieß es dazu einmal in der zeitgenössischen Presse. Das mochte auf manche zwar konservativ oder gar reaktionär wirken, doch konnte sich Spohr damit auch einen eigenen Stil sichern, eine eigene musikhistorische Nische suchen. Dies deckt sich mit historischen Beobachtungen (hier aus dem Deutschen Bühnenalmanach von 1860), Spohr habe "eine edle, dem Rohen und Trivialen völlig fremde Empfindungsweise".
Vielleicht ist es eben diese Weltentrücktheit, die die Musik so zeitlos macht. Dazu tritt etwas anderes, mindestens ebenso wichtiges: Spohr verstand sich zeitlebens als Pädagoge; in seine Kasseler Meisterschmiede pilgerten ab 1822 Nachwuchsgeiger aus ganz Europa, um nach der berühmten Spohr-„Violinschule“ zu lernen. Spohrs pädagogische Ader schlug sich dabei auch in seinen Kompositionen nieder. Schon der Leipziger Thomaskantor Moritz Hauptmann (1792–1868) entdeckte in Spohrs Kammermusik, dass sie ebenso an "Verständige" wie "fühlende Zuhörer" gerichtet und in eben dieser Kombination "ächt Spohrisch" sei.
Seiner Musik ist die Nähe zum Publikum unmittelbar abzulauschen. Sie möchte verstanden und "fühlend" nachvollzogen werden. Spohr, der als Virtuose auf zahlreichen Bühnen der Welt stand, begriff sein Publikum als direktes, kommunizierendes Gegenüber und nicht als abstrakte Größe, oder gar – wie die Generation Beethoven – als verachtenswerte, anonyme Masse. Vielleicht liegt eben in diesem didaktischen Bedürfnis der musikalischen Vermittlung der Schlüssel für die eigentümliche Sonderstellung der Spohr'schen Kompositionen, für die man in der Musikgeschichtsschreibung bislang noch keinen richtigen Platz gefunden hat. Möglicherweise hätte man sie sogar vergessen, ohne die kontinuierliche und nachhaltige Pflege der Geiger, die sie bis heute – wenn auch nur selten öffentlich – spielen.
Die Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar erkor Louis Spohr bewusst zur künstlerisch-pädagogischen Leitfigur ihres internationalen Violinwettbewerbs: Sein technisches Virtuosentum und seine vermittelnde Musik stehen sich nicht wie Fremde gegenüber – sie bedingen einander. Während noch bei Paganini der Solist im Vordergrund steht, hatte Spohr ein anderes Selbstverständnis. Seine eher kammermusikalische Denkweise ist dabei auch in seinen sehr selten öffentlich gespielten Duowerken zu erleben – für den Juryvorsitzenden Prof. Dr. Friedemann Eichhorn "kleine Schätze" –, die als Pflichtstücke für die erste Wertungsrunde der Alterskategorien 2 und 3 ausgewählt wurden.
Prof. Dr. Christiane Wiesenfeldt
Schon in den Nekrologen waren sich die Zeitgenossen uneins, wie man Spohr, den Virtuosen, und Spohr, den Komponisten von über 300 Werken, zu bewerten habe. Dabei spielte eine nicht unerhebliche Rolle, dass Spohrs hühnenhafte Gestalt kaum zu seiner leichten Muse passen wollte. So schrieb der Komponist Johann Andreas Romberg 1862: "Obwohl von Person eine riesige mächtige Gestalt, von der man Händelsche Cyclopenschläge gegen die Herzen der Hörer erwarten könnte, klagt und weint er am liebsten." Seine Musik sei vergleichbar mit einem Fluss: "Er strömt in ewiger Ruhe und Glätte, zwischen immer gleichen flachen Ufern, durch blühende Wiesen und fruchtbare Felder. Er schäumt nie am Felsgestade; es thürmen sich an seinen Ufern nirgends pittoreske Felsen auf." In England erkannte man Spohr um die Jahrhundertmitte zwar als "patriarch of German musical composition" an (Dwight’s journal of music, 1854), doch war man sich in einem einig: "Spohr ist ganz unberührt von Beethoven geblieben" (Wilhelm von Lenz, 1855).
Tatsächlich gehört Spohrs Musik, auch und besonders seine Violinmusik – mit 15 Violinkonzerten –, einer eigentümlichen musikalischen "Zwischengeneration" an, die Beethoven zwar kannte und die aufstrebende Romantik wahrnahm, aber weder an grüblerischem "Sturm-und-Drang" noch an romantischer Weltflucht interessiert war. Stattdessen pflegte er eine vermittelnde, lyrisch-poetische Musiksprache: Er sei ein "Lyriker des Instrumentalsatzes" hieß es dazu einmal in der zeitgenössischen Presse. Das mochte auf manche zwar konservativ oder gar reaktionär wirken, doch konnte sich Spohr damit auch einen eigenen Stil sichern, eine eigene musikhistorische Nische suchen. Dies deckt sich mit historischen Beobachtungen (hier aus dem Deutschen Bühnenalmanach von 1860), Spohr habe "eine edle, dem Rohen und Trivialen völlig fremde Empfindungsweise".
Vielleicht ist es eben diese Weltentrücktheit, die die Musik so zeitlos macht. Dazu tritt etwas anderes, mindestens ebenso wichtiges: Spohr verstand sich zeitlebens als Pädagoge; in seine Kasseler Meisterschmiede pilgerten ab 1822 Nachwuchsgeiger aus ganz Europa, um nach der berühmten Spohr-„Violinschule“ zu lernen. Spohrs pädagogische Ader schlug sich dabei auch in seinen Kompositionen nieder. Schon der Leipziger Thomaskantor Moritz Hauptmann (1792–1868) entdeckte in Spohrs Kammermusik, dass sie ebenso an "Verständige" wie "fühlende Zuhörer" gerichtet und in eben dieser Kombination "ächt Spohrisch" sei.
Seiner Musik ist die Nähe zum Publikum unmittelbar abzulauschen. Sie möchte verstanden und "fühlend" nachvollzogen werden. Spohr, der als Virtuose auf zahlreichen Bühnen der Welt stand, begriff sein Publikum als direktes, kommunizierendes Gegenüber und nicht als abstrakte Größe, oder gar – wie die Generation Beethoven – als verachtenswerte, anonyme Masse. Vielleicht liegt eben in diesem didaktischen Bedürfnis der musikalischen Vermittlung der Schlüssel für die eigentümliche Sonderstellung der Spohr'schen Kompositionen, für die man in der Musikgeschichtsschreibung bislang noch keinen richtigen Platz gefunden hat. Möglicherweise hätte man sie sogar vergessen, ohne die kontinuierliche und nachhaltige Pflege der Geiger, die sie bis heute – wenn auch nur selten öffentlich – spielen.
Die Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar erkor Louis Spohr bewusst zur künstlerisch-pädagogischen Leitfigur ihres internationalen Violinwettbewerbs: Sein technisches Virtuosentum und seine vermittelnde Musik stehen sich nicht wie Fremde gegenüber – sie bedingen einander. Während noch bei Paganini der Solist im Vordergrund steht, hatte Spohr ein anderes Selbstverständnis. Seine eher kammermusikalische Denkweise ist dabei auch in seinen sehr selten öffentlich gespielten Duowerken zu erleben – für den Juryvorsitzenden Prof. Dr. Friedemann Eichhorn "kleine Schätze" –, die als Pflichtstücke für die erste Wertungsrunde der Alterskategorien 2 und 3 ausgewählt wurden.
Prof. Dr. Christiane Wiesenfeldt