Hans Tutschku: Spannungsresonanzen (2019)

Hans Tutschku wurde im Jahr 1966 in Weimar geboren. Sein Studium in instrumentaler und elektroakustischer Komposition führte ihn unter anderem nach Dresden, Den Haag und Paris. Von 1995 bis 1996 lehrte er als Gastprofessor für Elektroakustische Musik an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT in Weimar. Es folgten weitere pädagogische Tätigkeiten von 1997 bis 2001 in Paris am Institut de Recherche et de Coordination Acoustique/Musique (IRCAM) sowie am Conservatoire du Pays de Montbéliard in Frankreich von 2001 bis 2004. 

An der University of Birmingham erhielt er 2003 einen Doktor in Komposition (Ph.D.) und arbeitete zudem anschließend als Gastprofessor an der Technischen Universität in Berlin. Des Weiteren lehrt er als Professor für Komposition sowie als Direktor des elektroakustischen Studios an der Harvard University in den USA seit September 2004.1

Neben seiner pädagogischen Arbeit im universitären Bereich leitet Hans Tutschku regelmäßig Workshops auf internationaler Ebene sowohl für Musiker als auch Nicht-Musiker, die sich mit Aspekten wie Kunstverständnis, Zuhören, Kreativität, Komposition, Improvisation, Echtzeitelektronik oder auch Klangraum auseinandersetzen möchten. Neben seinen Lehrtätigkeiten gehört er zudem seit 1982 dem Ensemble für Intuitive Musik Weimar (EFIM) an,2 was zu einer engen Zusammenarbeit mit Karl Stockhausen führte.3

Für sein künstlerisches und kompositorisches Schaffen erhielt Hans Tutschku mehrere internationale Kompositionspreise:

„Bourges, CIMESP Sao Paulo, Hanns-Eisler, Ars Electronica, Noroit et Prix Musica Nova“.4

Ihm wurde zudem im Jahr 2005 der Kulturpreis der Stadt Weimar verliehen. Des Weiteren erhielt er 2013 ein Stipendium des Radcliff Institute for Advances Study sowie 2014 ein Stipendium der Japan-U.S. Friendship Commission. Den ersten Preis gewann er 2017 bei den Wettbewerben Klang! und CIME ICEM.

Bei seiner Komposition Spannungsresonanzen6 handelt es sich um ein elektroakustisches Hörstück aus dem Jahr 2019.7 Der Begriff ‚Hörstück‘ impliziert, dass das Stück ausschließlich zum Hören und nicht zum Sehen bestimmt ist.8

Uraufgeführt wurde das Hörstück am 5. April 2019 in Weimar zur Eröffnung des neu erbauten Bauhaus-Museums. Anlässlich der 100-jährigen Bauhaus-Bewegung setzten sich insgesamt fünf Künstler in ihren kurzen Hörstücken mit der Frage auseinander, wie lebendig die Gedanken der Bauhaus-Begegnung heute noch seien.9

Zu dem Stück selbst schreibt Tutschku, dass es „eine imaginäre Klangreise in Weimars Ambiente vor 100 Jahren“10 sei. Er lädt seine Hörerinnen und Hörer auf eine fiktive Reise in diese Vergangenheit ein, und geht musikalisch der Frage nach, wie es geklungen haben könnte, „als Kunst und Industrie aufeinander trafen – als bestehende Abgrenzungen aufgelöst wurden, um neue Kreativitäts-Räume zu schaffen – als Künstler und Handwerker unterschiedlichster Herkunft und mit sehr individuellen Konzepten und Visionen eine neue Welt schufen […]“.11 Intensiviert wird dieses Eintauchen in die Vergangenheit durch die Verwendung von Stereofonie, mit welcher ein räumliches Klangerlebnis geschaffen wird.

Seinem Stück Spannungsresonanzen gab er zudem den Untertitel Hommage à Kadinsky. Diese Würdigung realisierte er unter anderem dadurch, dass er zwei Zitate von Kadinsky verwendete, die in dem Stück gesprochen eingearbeitet sind:

„ ...das Erkennen des Äußeren kann nur in dem Falle eine Tür in die Zukunft werden, wenn dieses Erkennen eine Brücke zum Inneren schlägt.12 Häufig wurde ich durch Klänge angeregt: richtige Musik (z.B. Wagner, Beethoven, später Mozart, Bach usw.) oder einzelne Klänge (z.B. Leierkastenspiel, Mundharmonika usw.), oder Geräusche (fallendes Brett, murmelndes Wasser, Vogelgeschrei usw.) – also organisierte und unorganisierte Klänge. Also äußere Eindrücke durch das Ohr.13

In dem Stück Spannungsresonanzen vereint Tutschku unterschiedliche elektroakustische Geräusche und Klänge mit akustischen Tönen und gesprochener Sprache. Das Hörstück lässt sich in verschiedenen Szenen unterschiedlichen Charakters einteilen. Die akustische Unterteilung des Stückes erfolgt mithilfe von Zäsurklängen, die im Stück mehrfach erklingen. In der nachfolgenden selbst erstellten Hörpartitur sind diese Klänge mit einer gelben farblichen Markierung hervorgehoben. 

Neben den Zäsurklängen gibt es weitere farbliche Hervorhebungen in der Hörpartitur. Es erfolgt eine Unterscheidung von drei Arten von Klängen: die Schriftfarbe Grün kennzeichnet Klänge, denen eine oder mehrere konkrete Tonhöhen zuzuordnen sind; die rot gekennzeichneten Begriffe repräsentieren gesprochene Elemente, die in dem Stück auftauchen und alle weiteren Geräusche wurden mit der Farbe Schwarz notiert. Klänge und Geräusche, die in dem Stück wiederholt auftreten, wurden jeweils farblich zusammengehörend gekennzeichnet.

Vreni Röder

Hans Tutschku: Spannungsresonanzen


1 Vgl. Hans Tutschku, „Biographie“, in: https://tutschku.com/biography/?lang=fr, abgerufen am 26.6.2023.
2 Vgl. ebd., abgerufen am 26.6.2023.
3 Michael von Hintzenstern, „Ensemble für Intuitive Musik Weimar (EFIM)“, in: http://www.hintzenstern.eu/Michael_von/Ensembles.html, abgerufen am 28.07.2023.
4 Hans Tutschku, „Biographie“ (wie Anm. 1), abgerufen am 26.6.2023.
5 Vgl. ebd., abgerufen am 26.6.2023.
6 Bei dem folgenden Link handelt es sich um einen digitalen Zugang zu dem Stück Spannungsresonanzen: https://tutschku.com/spannungsresonanzen-recording/ 
7 Vgl. Hans Tutschku, „Spannungsresonanzen“, in: https://tutschku.com/spannungsresonanzen/?lang=de, abgerufen am 26.6.2023. 
8 Vgl. Sarkar, Suryya, „Definition of a radio play”, in: Indian Culture – Discover, Learn, Immerse, Connect, https://indianculture.gov.in/definition-radio-play, abgerufen am 26.6.2023.
9 Vgl. Jörg-Uwe Fischer, Adrian Haus, Rabea Limbach, „Tonspur Bauhaus“, in: ARD-Hörspieldatenbank, https://hoerspiele.dra.de/vollinfo.php?tipp=1&dukey=4963261, abgerufen am 26.6.2023.
10 Hans Tutschku, „Spannungsresonanzen“, (wie Anm. 6), abgerufen am 26.6.2023.
11 Ebd., abgerufen am 26.6.2023.
12 Ebd., abgerufen am 26.6.2023.
13 Ebd., abgerufen am 26.6.2023.