Franz Liszt: Les Préludes

Im folgenden Tondokument hören wir Liszts symphonische Dichtung „Les Préludes“ gespielt vom Hochschul- sowie Konservatoriumsorchester, geleitet von Heinz Fricke. Das Konzert fand im Rahmen der Festwoche zur Namensgebung 1956 im Klubhaus ,Michael Niederkirchner’ in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße statt. Neben Peter Tschaikowskys erstem Klavierkonzert wurde auch die erste Symphonie von Johann Cilensek aufgeführt (an dieser Stelle sei auf das entsprechende Tondokument verwiesen, in welchem eben jene Sinfonie nochmal gesondert zu hören ist).

Zum Werk selbst lässt sich sagen, dass es hier auch fast ein Jubiläum feiern darf, denn es wurde zwischen 1848 und 1854 komponiert. Es reiht sich in die damals neuartige Form der programmatisch einsätzigen Form ein, ist also durchkomponiert und ihm liegt ein Programm zugrunde. Liszt bezieht sich hier auf die „Méditations poétiques“ von Alphonse de Lamartine und möchte innerhalb dieses Bezuges die grundsätzliche Atmosphäre und Stimmung wiedergeben. „Les Préludes“, also ,Vorspiele’, sind demnach hier die des Lebens vor der Melodie des Todes. Liszt selbst stellte diesem Werk folgenden Text voran:

„Was anderes ist unser Leben, als eine Reihenfolge von Präludien zu jenem unbekannten Gesang, dessen erste und feierliche Note der Tod anstimmt? […] Dennoch trägt der Mann nicht lang die wohlige Ruhe inmitten besänftigender Naturstimmungen, und , wenn der Drommete Sturmsignal’ ertönt, eilt er, wie immer der Krieg heißen möge, der ihn in die Reihe der Streitenden ruft, auf den gefahrvollsten Posten, um im Gedränge des Kampfes wieder zum ganzen Bewusstwerden seiner selbst und in den vollen Besitz seiner Kraft zu kommen.“1

Eine besondere Erwähnung muss wohl auch die nicht-musikalische Instrumentalisierung dieses Stückes finden. Da es sich ob eben jenes martialischen und kriegerisch mitreißenden Charakters hervorragend dafür eignete (man denke auch an das Zitat „...Drommete Sturmsignal“2), wählten die Nationalsozialisten das Hauptthema als Erkennungsmelodie der „Wochenschau“ für Neuigkeiten von der Kriegsfront.

Bei der vorliegenden Aufnahme ist es spannend zu hören, wie schnörkellos nüchtern das Stück interpretiert wird. Selbst die von Liszt vorgezeichneten Rubati und Ritardandi werden, wenn überhaupt, sehr geradlinig und zwar nicht unemotional, doch mit einer gewissen Distanz musiziert. Dies wäre mutmaßlich dem allgemeinen und aber auch dem politischen Zeitgeist entsprechend, auch im Hinblick auf den Umgang mit der Historie gerade dieses Werkes.

Sicherlich war es eine herausfordernde Aufgabe, dieses ,vorbelastete’ Stück zu dieser Zeit und in diesem politischen Umfeld adäquat aufzuführen.
Das Hochschul- und Konservatoriumsorchester unter Heinz Fricke spielt das anspruchsvolle Werk trotz der im Zusammenhang logischen, wenn auch etwas kühlen Interpretation immer mit einem emphatisch-kernigen Orchesterklang; zwar manchmal ein wenig statisch und nicht immer konsequent, was scharfe Konturen oder weiche Ablösungen angeht, jedoch in den Kantilenen immer klar phrasiert und empfunden musiziert.

Tobias Meichsner


1 Lina Ramann, "Aus der Gegenwart. Aufsätze über Musik für Musikfreunde, Nürnberg / München 1868, S. 27.
2 Ebd.