Franz Liszt: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 in A-Dur

Nach 30 Jahren hat ein Mensch den Prozess des Erwachsenwerdens in der Regel abgeschlossen. Doch wie verhält es sich mit einem Klavierkonzert? Franz Liszt jedenfalls konzipierte und komponierte sein „Klavierkonzert Nr. 2 A-Dur“ über einen Zeitraum von fast drei Jahrzehnten.

Obwohl Liszts Leben, nachdem es ihn als Kapellmeister nach Weimar verschlagen hatte, weit weniger beschaulich war als gedacht, so war es zweifellos inspirierend. Ein Großteil seiner bedeutungsvollen Klavierwerke entstand nämlich dort, darunter die „h-Moll-Sonate“, die „Dante-Fantasie“ sowie die „Études d´execution transcendante“. Zudem vollendete Liszt in Weimar, nach komplexen Umarbeitungsprozessen, auch seine beiden Konzerte für Klavier und Orchester.1  Erste Entwürfe zum „Klavierkonzert Nr. 2 A-Dur“ stammen aus dem Jahr 1839; jedoch schloss sich eine umfangreiche Entstehungsphase mit zahlreichen Umgestaltungen an, bis es in seiner endgültigen Fassung am 7. Januar 1857 im Weimarer Hoftheater uraufgeführt werden konnte. Zwei Jahre davor, bei der Uraufführung des ersten Klavierkonzerts, war Liszt noch selbst als Solist aufgetreten und die Leitung hatte niemand Geringeres als Hector Berlioz übernommen. Nun trat der Komponist beim zweiten Klavierkonzert selbst ans Dirigierpult – ein klares Zeichen für die neue Funktion, die er im Musikleben ausüben wollte. Als Solist war hingegen sein Schüler Hans von Bronsart zu hören, dem das Werk bei der Drucklegung 1863 auch gewidmet wurde.2

Über seine Kompositionsweise sagte Liszt einmal folgendes: „Ich kann mit wenig Bausteinen ein musikalisches Gebäude errichten. Andere benötigen dazu das Tausendfache an Material. Ich sage, daß es in der Zukunft wenig Baustoffe geben wird und daß man ein guter Meister sein muß, um damit zurechtzukommen. Nicht in der Verschwendung liegt das Wesentliche, sondern in der Einschränkung auf das Wesentlichste. Eine Idee muß vorhanden sein, nicht eine Ballung an Pseudo-Ideen.“3 Als Grundlage für das zweite Klavierkonzert verwendete er eine einzige derartige „Idée fixe“, um es mit dem Ausdruck von Hector Berlioz zu beschreiben. Diese steht im Mittelpunkt der sechs, weiter unterteilten Abschnitte des durchkomponierten Werkes und vollzieht dabei einen enormen Wandel.

Direkt zu Beginn stellen die Holzbläser, geführt von der Klarinette, das Thema vor, worauf sich das Klavier mit expressiven Arabesken hinzugesellt. Doch die zunächst noch verträumte Atmosphäre schlägt bald zu erhabenem Ernst um, der in eine Passage in der Art eines Scherzos von unheimlicher Bedrohlichkeit fortschreitet, bis sich das Klavier auf die zarte Version des Themas zurückbesinnt. Es folgt ein Mittelteil im Stil einer Nocturne, in dem das Solocello vom Klavier untermalt wird. Energisch setzt nun das Orchester mit dem klangvollen Marsch ein und steigert das Werk stufenweise und über ein vom Klavier ausgehendes, inniges Ritardando zu einer schillernden Coda, mit der das Konzert in brillanter Vereinigung von Solist und Orchester endet.4

Das vorliegende Tondokument ist leider stark übersteuert, sodass man die Qualitäten der Interpretation nur erahnen kann. Es wurde im Rahmen des Festaktes zur Namensgebung am 22. Oktober 1956 im Deutschen Nationaltheater aufgenommen. Als Solist ist István Antal am Klavier zu hören. Begleitet wurde er vom Orchester der Hochschule für Musik und des Konservatoriums unter der Leitung von Musikdirektor Heinz Finger.5

István Antal wurde am 27 Januar 1909 in Budapest geboren und war ein Pianist und Musikpädagoge. Er besuchte ab 1925 die „Akademie für Musik und darstellende Kunst“ in Wien und ging nach Erhalt seines Abschlusses nach Berlin, wo er Klavier bei Leonid Kreutzer studierte. Im März 1936 gab er sein Debutkonzert im Konzerthaus „Vigadó“ in Budapest und siedelte im Jahr darauf ganz in die ungarische Hauptstadt um. Dort lernte er Formenlehre und Komposition bei István Strasser und Leo Weiner. Ab 1948 unterrichtete er an der „Franz-Liszt-Musikakademie“ Budapest und unternahm internationale Konzertreisen. Sein Repertoire umfasste Werke von Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Franz Liszt, Béla Bartók und zeitgenössischen ungarischen Komponisten. Er war Teilnehmer und Gewinner etlicher internationaler Wettbewerbe und sein kunstvolles Klavierspiel ist auf zahlreichen Tonaufnahmen zu hören. Zudem war er Gründungsmitglied der „Liszt-Gesellschaft“ in Budapest und gehörte den „Chopin-Gesellschaften“ in Wien und Warschau an. Antal starb am 25. September 1978 in Budapest.6

Henrike Spittel


1 Vgl. Kerstin Unseld, „Franz Liszt: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 A-Dur“, <https://www.swr.de/swr2/musik-klassik/musikstueck-der-woche/article-swr-13646~_detailPage-1_-dc56264c3eed6f7453c3f263012a8308a11ab691.html> 14.02.2022.
2 Vgl. Walter Weidringer, „Franz Liszt. Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 A-Dur“, <https://www.tonkuenstler.at/de/tickets/opus/konzert-fur-klavier-und-orchester-nr-2-a-dur> 14.02.2022.
3 Ebd..
4 Vgl. ebd..
5 Vgl. Bruno Hinze-Reinhold, „Lebenserinnerungen“, in: Michael Berg (Hrsg.), „Edition Musik und Wort der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar“. Bd. 1, Weimar 1997, S. 203, 204.
6 Vgl. Imre Hargitai, „Pianist István Antal. Teacher of the Academy of Music”, <https://www.wikipe.wiki/wiki/hu/Antal_Istv%C3%A1n_(zongoram%C5%B1v%C3%A9sz)> 14.02.2022.