Fächer im Fach Musiktheorie
Lehrende in eigenen Worten über ihre Fächer
Das Fach Musiktheorie
Prof. Jörn Arnecke über sein Fach:
Musiktheorie strahlt in besonderer Weise in die Hochschule aus: Fast alle Studierenden kommen damit in Berührung. Wir haben die Möglichkeit, ihr Denken – das meist vom eigenen Instrument ausgeht – zu erweitern und zu fundieren. Die schließt ein, die Ausbildung und die Bedingungen, unter denen wir Musik betrachten, immer wieder neu zu hinterfragen.
Für die Musiktheorie ist das Hauptfach damit das Kraftfeld: Engagierte Studierende arbeiten künstlerisch an stilbezogenen Kompositionen, wir diskutieren Texte und ihre Einordnung und Relevanz für die Vermittlung, wir suchen nach neuen Wegen. Diese bedeuten für die Gehörbildung auch, Übungsformen zu entwickeln, die in besonderer Weise Kompetenzen für die späterer musikalische Berufstätigkeit stärken.
Zum Experimentieren und Anwenden lädt dabei das Fach „Praktische Gehörbildung“ ein, welches mir besonders am Herzen liegt: Im Austausch mit Dirigierstudierenden ermöglicht es mir, nicht nur anwendungsbezogen zu lehren, sondern auch selbst hörend zu lernen.
Gehörbildung
Elke Reichel über dieses Fach:
Ein bevorzugtes Unterrichtsfach auszuwählen fällt mir schwer, ist es doch gerade die Vielfalt des musiktheoretischen Fächerkanons, die den Reiz meines Berufs ausmacht. Besonders am Herzen liegen mir Angebote der Hörerziehung. Das Hören von Musik ist, sofern es freiwillig geschieht, im Alltag ja eine freudvolle Angelegenheit. Doch wird Gehörbildung als Pflicht- bzw. Nebenfach an der Hochschule oft als belastend, ja furchteinflößend empfunden. Ich versuche zu zeigen, wie wir unseren reichen Schatz an Hörerfahrung, den wir von früher Kindheit, ja „von Mutterleib an“ durch bewusstes und unbewusstes Hören, aber auch durch das eigene Musizieren erworben haben, für intelligentes und erkenntnisreiches Hören einsetzen können. Hörerziehung an der Musikhochschule heißt für mich, das Gehör zukünftiger Künstler:innen und Lehrer:innen für ihre berufliche Praxis zu schulen. Weit über das Notieren von Tonhöhen-, Tondauern- und Klangfolgen hinaus findet Gehörbildung dort vor allem in aktiven schöpferischen Prozessen statt – beim Literaturspiel, beim Komponieren, in der Improvisation oder in der analytischen Auseinandersetzung. Dafür Impulse zu setzen ist mein Anliegen.
Rhythmus-Blattspieltraining
Marcus Aydintan über dieses Fach:
Mit zahlreichen Übungen wird ein schnelles Verstehen und sicheres Darstellen von Rhythmen in diesem Kurs trainiert. In jeder Sitzung steht ein Orchester- oder Kammermusikwerk mit einem bestimmten (poly-)rhythmischen Problem im Zentrum. In regelmäßigen Abständen werden mit individuellen Arrangements diese Rhythmen auch am eigenen Instrument zur Verbesserung des Prima-Vista-Spiels geübt. Der Kurs wird in zwei Schwierigkeitsgraden angeboten, als Einstiegskurs und für Fortgeschrittene.
Harmonielehre
Florian Kleissle über dieses Fach:
Ich sehe meinen Unterrichtsschwerpunkt im Nebenfach Harmonielehre darin, die unterschiedlichen musikalischen Epochen sowohl anhand ihrer individuellen Tonsatztechniken anschaulich zu machen als auch die sich daraus ergebenden – für die zukünftigen professionellen Musiker*innen wichtigen – musikalischen Interpretationsspielräume zu erschließen. Im Weiteren soll das gewonnene Bild der musikalischen Ästhetik einer Epoche einerseits die stilistischen Eigenheiten einzelner Komponisten verdeutlichen, andererseits ist es mir ein Anliegen, aus jenem Bild auch eine Verbindung zum jeweiligen über das Musikalische hinausgehenden kulturellen Zeitgeist herzustellen.
Höranalyse 1 / Werkanalyse 1 und Höranalyse 2 / Werkanalyse 2
Marcus Aydintan über dieses Fach:
Durch das analytische Hören kürzerer und längerer Abschnitte und Analyse am Notentext werden sinfonische und kammermusikalische Werke des 19. Jahrhunderts hinsichtlich ihrer satztechnischen, harmonischen und formalen Merkmale untersucht. Auch Hinweise zur Entstehung der Werke werden durch Skizzen und frühere Fassungen einbezogen. Im Wahlbereich kann anschließend der Kurs Hör- und Werkanalyse 2 belegt werden – hier richtet sich der Fokus auf Kammermusik- und Orchesterwerke der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere von Claude Debussy, Maurice Ravel, Igor Stravinskij und Sergej Prokofiev.
Theoriebegleitendes Klavierspiel
Marcus Aydintan über dieses Fach:
Musiktheorie am Klavier – das Improvisieren über gegebene Bässe, Generalbass, Kadenz- und Partiturspiel sind feste Bestandteile dieses Unterrichts. Inhalte aus den musiktheoretischen Fächern werden in vielfältiger Weise spielerisch auf dem Klavier dargestellt. Die Teilnehmer*innen können hierbei auch individuelle Schwerpunkte setzen.
Künstlerischer Tonsatz
Marcus Aydintan über sein Fach:
Im Fach „künstlerischer Tonsatz“ geht es um das Erfinden von Musik in der Tonsprache verschiedener Komponistinnen und Komponisten, beispielsweise in Form von Kunstliedern oder kurzen Kammermusik- und Klavierwerken. Nach vorheriger Analyse entsteht im schöpferischen Prozess eine intensive und lebendige Auseinandersetzung mit historischen Satztechniken.
Satztechniken des 20. und 21. Jahrhunderts
Ehsan Mohagheghi Fard über dieses Fach:
Wenn man die wichtigste Charakteristik der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts benennen müsste, wäre es die Vielfalt. Zeitgleich mit der impressionistischen Musik von Debussy komponierten Schönberg und seine Schüler atonale, expressionistische Werke. Während Schostakowitsch seine 10. Sinfonie schrieb, arbeitete Pierre Schaeffer in Paris mit Tonaufnahmen und entwickelte die neue Gattung der „Musique Concrète“. Zahlreiche Begriffe, die Techniken und Stilrichtungen bezeichnen, unterstreichen diese Vielfalt: Dodekaphonie, serielle Technik, Mikropolyphonie, Klangflächenkomposition, Musique Concrète Instrumentale, Neue Einfachheit, elektronische Musik, elektroakustische Musik, akusmatische Musik, Konzeptmusik, Musiktheater, Theatermusik und viele mehr.
Im Gruppenunterricht „Satztechniken des 20. und 21. Jahrhunderts“ befassen wir uns mit diesem breiten Spektrum, analysieren Werke aus unterschiedlichen Stilrichtungen und Musikkulturen verschiedener Komponist*innen. Ein weiterer Schwerpunkt des Unterrichts liegt auf der eigenen Kompositionsarbeit unter Anwendung dieser Techniken.
Instrumentation
Prof. Jörn Arnecke über dieses Fach:
Die Möglichkeiten des Sinfonieorchesters faszinieren mich immer wieder aufs Neue. Kontur oder Weichzeichnung, Misch- oder Spaltklang, Helligkeit oder Düsternis – der Erfindungen sind kaum Grenzen gesetzt. Zugleich ist diese Disziplin historisch verortet, und es lohnt sich zum Verständnis der Kompositionen, genau in den Blick zu nehmen, von welchen instrumentalen Voraussetzungen man in den einzelnen Epochen ausgehen konnte und welche Techniken verwendet wurden. Die Lehre der Instrumentation vermittelt so auch tiefere Erkenntnisse über Komposition, über Analyse, Form und Stil.
Kontrapunkt 1-2
Ehsan Mohagheghi Fard über dieses Fach:
Beim Studium der polyphonen Musik aus Renaissance und Barock erleben wir als Musiker*innen zahlreiche Aha-Momente. Es werden viele harmonisch-melodische Phänomene erklärt, denen wir oft begegnen und die wir gut kennen, deren Begründung uns jedoch oft fehlt.
In Kontrapunkt vertiefen wir uns in die Vokalpolyphonie der Renaissance und studieren die Werke großer Meister, darunter Giovanni Pierluigi da Palestrina und Orlando di Lasso. Ebenso wird die Instrumentalpolyphonie des Barocks und ihr ikonischer Komponist, Johann Sebastian Bach, behandelt. Neben den technischen Grundlagen erlernen wir auch die praktische Fähigkeit, polyphone Sätze im Stil von Palestrina, Lasso, Bach, Händel und anderer Komponisten der Renaissance und des Barocks zu schreiben. Ein besonders spannender Teil des Kurses ist die gemeinsame Improvisation zwei- und mehrstimmiger Musik; eine Praxis, die in der Renaissance weit verbreitet war.
Arrangieren
Elke Reichel über dieses Fach:
Arrangieren ist angewandte Musiktheorie. Es geht darum, ein Werk aus seinem ursprünglichen in einen neuen Kontext zu stellen und dabei die Essenz, das Wesentliche seiner Struktur und Aussage zu bewahren, im Idealfall sogar ›noch schöner leuchten‹ zu lassen. Von der ›wortgetreuen Übersetzung‹ bis zur freien Neuinterpretation ist alles möglich: Ob eine Streicherserenade zum Hornquartett, ein Traditional zum Arrangement für eine Schulklasse, ein Klavierwerk des 19. Jahrhunderts zum Sinfonieorchestersatz oder ein Renaissancetanz zum Tango wird, entscheiden die Kursteilnehmer*innen entsprechend ihren Neigungen und beruflichen Ambitionen.