„Musik in Bahia“ – Studienreise in den Recôncavo Baiano, Brasilien, 19.02.-05.03.2017

Die sich im Hinterland der Stadt Salvador da Bahia befindende Region des Recôncavo Baiano gilt als Wiege einiger der bedeutendsten kulturellen Manifestationen Brasiliens. Die Capoeira, ein afro-brasilianischer Tanzkampf ist heute in der ganzen Welt verbreitet. Ein weiteres, einzigartiges kulturelles Phänomen des Recôncavo Baiano ist die afro-brasilianische Religion des Candomblé, der paradigmatisch für das Zusammenspiel afrikanischer und brasilianischer Kultur in dieser Region steht.
Der Samba de Roda, die Ursprungsform des heutigen modernen Samba, erhielt mit seinem Eintrag in die Repräsentative Liste des UNESCO zum Immateriellen Kulturerbe im Jahre 2005, weltweite Anerkennung. Dieser Eintrag brachte allerdings einige weitreichende Konsequenzen mit sich, die heute maßgeblich die Ausübung, Vermittlung und auch die kommerzielle Nutzung des Samba de Roda beeinflussen.
Inwiefern unterliegt die Entwicklung dieser Musikkultur den Konsequenzen ihres Eintrags in die Repräsentative Liste der UNESCO und was kann die Musikforschung allgemein über die musikalisch relevanten Auswirkungen solch internationaler Anerkennung zu Tage fördern? Dass hier neue Forschungen von großer Aktualität sind, die nicht nur im Fach selbst relevant sind sondern lokal mit gesellschaftlicher Auswirkung rechnen können, steht außer Frage. Bei der Forschung und Lehre im Rahmen eines UNESCO Lehrstuhls für Transcultural Music Studies, dessen Programm verstärkt auf Musik als immaterielles Kulturerbe gerichtet ist, gehören Fragen wie diese ganz zentral auf die wissenschaftliche Agenda.
In der geplanten Studienreise stellen Samba, Capoeira und Candomblé den Inhalt der verschiedenen Forschungsfragen, auf die sich die Forschergruppe in diesem Semester vorbereitet hat. Vor Ort sollen methodische Ansätze erprobt werden, wie die musikalische Ethnographie (Feldforschung) sowie kulturtheoretische Fragestellungen hinterfragt und mit den gewonnenen empirischen Daten neu ausgelegt werden. Die Exkursion stellt somit einen wesentlichen Bestandteil des wissenschaftlichen Studiums dar, indem die Studierenden hier die Gelegenheit haben mit konkreten Forschungssituationen konfrontiert zu werden.
Einige Forschungsfragen, die im Zusammenhang mit dieser Exkursion besonders relevant erscheinen, sollen den Fortgang der Arbeit vor Ort bestimmen. So steht die Frage nach dem Generationenwechsel in den kulturellen Traditionen Bahias im Vordergrund. Ist der Samba de Roda die ,Musik der Alten‘, wie so oft behauptet? Wie wird das hoch komplexe mündlich tradierte Wissen des Candomblé weitergegeben? Hier spielen musikalische Strukturen eine Rolle, die in ihrer sakral-funktionalen Verflechtung beispiellos sind und dringend einer eingehenderen musikanalytischen Erhebung bedürfen. Außerdem: Welche Veränderungen erfährt die lokale, historisch gewachsene und sozial verankerte Musik in der Lebenswelt der jüngeren Generationen, die von den sozialen Netzwerken und der ständigen Verfügbarkeit von Musik jeglicher Herkunft geprägt ist (wie überall auf der Welt)? Ferner interessieren auch soziale Aspekte und Gender-
Fragen, etwa die Geschlechterrollen im Samba de Roda. Nicht zuletzt stehen die starken afrikanischen Wurzeln der bahianischen Kultur im Vordergrund. Die Teilnahme zweier Afrika- Spezialisten (Doktorand Mukasa Wafula aus Kenia und Professor Bernhard Bleibinger aus Südafrika) werden eingehendere Reflektionen auch in diese Richtung lenken.