Historische Prospekte
Seit fast 25 Jahren lehrt Matthias Dreißig als Honorarprofessor in Weimar
Er ist eine Säule der Kirchenmusikausbildung an der Weimarer Musikhochschule: KMD Prof. Matthias Dreißig unterrichtet seit 1995 im Klostergebäude Am Palais, zuerst im Lehrauftrag, seit 2005 als Honorarprofessor. Hauptberuflich wirkt der 61-Jährige seit 25 Jahren als Organist an der Predigerkirche in Erfurt. Mit Jan Kreyßig sprach mit Matthias Dreißig über seinen Weg als Musiker – und die Exkursionen seiner Klasse an historische Orgeln in ganz Thüringen.
Er ist „ein Thüringer Gewächs“, 1958 in Eisenach geboren, in der Rhön bis zum 15. Lebensjahr in einer evangelischen Pastorenfamilie aufgewachsen. Dann kam der Umzug nach Weimar, weil der Vater 1972 Rektor des Sophienhauses wurde.
Zwischen1979 und1984 studierte Matthias Dreißig die Fachrichtung Orgel in der Abteilung für Tasteninstrumente an der HfM Weimar – in der Klasse von Prof. Rainer Böhme. „Das hat komischerweise gleich geklappt, obwohl die Kirchenmusik für mich eine Verlegenheitslösung war“, räumt Dreißig ein. Denn er konnte zwar gut Klavier spielen, hatte aber seine Orgelwerke selbst einstudiert und nur zweimal dem Stadtkantor Prof. Johannes Ernst Köhler vorgespielt.
1983 nahm er an den Prager Meisterkursen teil und traf dort auch auf Studierende aus dem westlichen Ausland. „Das war ein gutes Gefühl zu erleben, dass es woanders auch Orgelmusiker gibt.“ Dreißig wurde dann zum Prager Frühling delegiert und belegte dort 1984 den 4. Platz beim Internationalen Orgelwettbewerb. „Bei 49 Teilnehmern aus der ganzen Welt bis hin zu den USA hatte ich das angenehme Gefühl, dass ich da mitreden kann.“
Bis 1988 schloss sich noch ein Zusatzstudium im Rahmen der Absolventenförderung bei KMD Prof. Johannes Schäfer in Weimar an.
Kantor in Bad Frankenhausen
Sein erstes Kantorenamt in Bad Frankenhausen trat er 1985, noch während seines Konzertexamensstudiums an. Dort fanden die ersten deutschen Musikfeste statt, erzählt der Kirchenmusiker, als Vorläufer der heutigen Festivals. Louis Spohr hat in Bad Frankenhausen Anfang des 19. Jahrhunderts unter anderem Haydns Schöpfung aufgeführt.
Parallel wirkte er bereits seit 1984 als Dozent für Orgel an der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik in Halle/Saale – und hat dieses Engagement bis heute beibehalten.
Nein, im berühmten Schiefen Turm von Bad Frankenhausen habe er nie gespielt, sagt Matthias Dreißig lachend. Die dazugehörige Oberkirche – die Kirche Unserer Lieben Frauen am Berge – besäße gar keine Orgel mehr, sondern sei eine Ruine.
Von 1985 bis 1994 war der Kirchenmusiker zwar Kantor am Fuße des Kyffhäusers, allerdings in der so genannten Unterkirche, der Kirche St. Georg und Marien mit ihrer Strobel-Orgel. Vor nunmehr 25 Jahren gab Matthias Dreißig sein Kantorenamt in Bad Frankenhausen zugunsten einer Organistenstelle an der Predigerkirche in Erfurt auf.
Wie kam es zu dem Wechsel? „Trotz der damit verbundenen Unsicherheit hat mich damals das Berufungsverfahren in Erfurt gereizt“, sagt Dreißig. „Denn diese Stelle hat als eine der ganz wenigen im mitteldeutschen Raum ein klares Orgelprofil, da es ein geteiltes Kantorat ist.“
Seit 1994 ist er nun Organist an der Predigerkirche und spielt dort auf einer 1977 gebauten Schuke-Orgel, die sich hinter einem historischen Orgelprospekt von Ludwig Compenius aus dem Jahr 1648 verbirgt. Darüber hinaus verfolgt Dreißig eine rege Konzerttätigkeit im In- und Ausland, reiste vor drei Jahren nach Japan, vor zwei Jahren nach Russland.
Authentisches Musikmachen
Über seinen pädagogischen Ansatz verrät der Musiker: „Musik kann man nicht vermitteln wie Mathematik. Es ist eine menschliche Äußerung, die bei jedem unterschiedlich ist, auch wenn alle das gleiche meinen.“ Er möchte zu authentischem Musikmachen motivieren und jedem Studierenden seine Eigenheiten lassen. Er sei ein Freund der Freiräume und wolle nicht alles aufzwingen, sondern vor allem helfen, so Matthias Dreißig.
Einen wichtigen Stellenwert in der Arbeit haben regelmäßige Exkursionen an Orgeln in der Region. „Die mitteldeutsche Orgellandschaft ist einmalig in Deutschland, weil es so viele historische Instrumente gibt, die seit ihrer Erbauungszeit noch stehen“, betont der Kirchenmusiker.
Und so fuhr er mit seinen Weimarer und Hallenser Klassen bereits zu Kirchen in Denstedt, Ettersberg, Buttelstedt, Weißenfels, Ohrdruf oder Zella-Mehlis an vor allem barocke Instrumente von Trost, Strobel, Schulze und Peternell.
„Prof. Dreißig hat eine enge Verbindung zur mitteldeutschen Orgellandschaft und schöpft aus der Praxis seine Erfahrungswerte für die Pädagogik“, lobt ihn sein Student Cornelius Hofmann, der seinen Diplomabschluss fast in der Tasche hat.
Und sein Kommilitone Rufus Brodersen, der Ende September 2019 in der Erfurter Predigerkirche sein Diplomkonzert spielte, ergänzt: „Unser Professor dirigiert regelrecht die Orgelwerke im Unterricht. Diese körperliche Art der Vermittlung schätze ich sehr, denn man spielt nicht nur, sondern man spürt die Musik auch.“
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