Musik und Holocaust

Spezialvorlesung mit Prof. Dr. Jascha Nemtsov

Wintersemester 2019/20

„Zu betonen ist nur, dass ich in meiner musikalischen Arbeit durch Theresienstadt gefördert und nicht etwa gehemmt worden bin, dass wir keineswegs bloß klagend an Babylons Flüssen saßen und unser Kulturwille unserem Lebenswillen adäquat war.“

Viktor Ullmann, ein in Theresienstadt inhaftierte Komponist

Die Musikaktivitäten in Theresienstadt, einer tschechischen Kleinstadt, die in ein Zwischenlager für Juden auf dem Weg nach Auschwitz umgewandelt wurde, stellen nur ein Kapitel im umfangreichen Themenkomplex „Musik und Holocaust“ dar.

Bereits 1933 wurden jüdische Musiker aus dem deutschen Kulturleben vertrieben, noch im selben Jahr wurde der Kulturbund der deutschen Juden – eine Art jüdisches „kulturelles Ghetto“ – gegründet, in dem neben zahlreichen herausragenden Interpreten auch mehrere begabte Komponisten tätig waren. Viele dieser Musiker sind heute weitgehend vergessen.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Holocaust in zahlreichen Musikkompositionen und Werken der Bildenden Kunst thematisiert, die zum Teil ganz unterschiedliche Perspektiven und Kontextualisierungen reflektieren. Die Vorlesung widmet sich außerdem der Bedeutung der Holocaust-Thematik im Kulturleben und im öffentlichen Bewusstsein unserer Zeit.

Zusammenfassungen der einzelnen Vorlesungen


16. Oktober
Judenfeindschaft: Gründe, Traditionen, Erscheinungsformen. Judenfeindschaft in der Musik. Judenfeindschaft heute.

23. Oktober
Nationalsozialismus: Quellen, Vorläufer, Ideologie, Organisationsformen, Gründe des Erfolgs.

6. November
„Europa gegen die Juden“: Holocaust als deutsches und europäisches Projekt.

13. November
„Entartete Musik“ und Verfolgung jüdischer Musiker in Deutschland. Verfolgte jüdische Musiker in Weimar und Thüringen.

20. November
Nationalsozialistische Kulturpolitik und -organisation. Regimekonforme Musik im Nationalsozialismus.

27. November
„Entjudung“ der Kultur und des Alltags. „Entjudungsinstitut“ in Thüringen. Sprache im Totalitarismus.

4. Dezember
Jüdische Kulturbünde im NS-Deutschland.

11. Dezember
Musiker im Exil.

18. Dezember
Musikausübung in Konzentrationslagern und in Ghettos. Ghetto Theresienstadt und sein Kultur- und Musikleben.

8. Januar
Komponisten in Theresienstadt und ihr Schaffen: Ullmann, Klein, Krasa, Haas. Weitere bedeutende verfolgte Komponisten: Schulhoff, Koffler, Smit, Laks.

15. Januar
Das Thema Holocaust in Werken europäischer und amerikanischer Komponisten der Nachkriegszeit: Schönberg, Penderecki, Ligeti, Reich u.a.

22. Januar
Aufarbeitung, Erinnerung und Gedenkkultur. Wiederentdeckung und Aufarbeitung in der Musikwissenschaft und im Musikleben.

29. Januar
Rezeption in Osteuropa der Nachkriegszeit und musikalische Reaktionen darauf: Schostakowitsch, Klebanow, Weinberg.

5. Februar
Deutsch-jüdische und deutsch-israelische Musikbeziehungen nach dem Holocaust.