Klavierunterricht mit Blinden und Sehbehinderten

Ein Projekt der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar
für den Masterstudiengang Klavier mit Profil Instrumentalpädagogik und ZweiFach-Master Klavier/ Instrumentalpädagogik Klavier


Eltern blinder Kinder treten immer wieder an Instrumentalpädagog*innen heran, deren Kinder ein Instrument erlernen möchten. Lange gab es an deutschen Musikhochschulen keine Studiengänge, die sehende künftige Instrumental-/ Klavierpädagog*innen auf diese speziellen Anforderungen vorbereitet.

Im Jahr 2009 entstand die Idee, mit dem in Weimar ansässigen "Diesterweg-Förderzentrum Sehen" eine entsprechende Profilbildung in den Masterstudiengängen Klavier an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT zu entwickeln. Studierende werden mit speziellen, unverzichtbaren Basiskenntnissen für den Unterricht mit Blinden / Sehbehinderten ausgestattet und sammeln Unterrichtserfahrungen mit den Schüler/innen.

Im Auftrag der Musikhochschule unterrichtet die Klavierpädagogin Viola Michaelis blinde und sehbehinderte Schüler*innen und entwickelt didaktische Konzepte, sowohl für den Unterricht mit den Schüler*innen als auch für die Lehrveranstaltungen der Studierenden. Es werden Kontakte zu Kolleg/innen mit einer Sehschädigung wie auch zu Kolleg*innen, die Sehbehinderte / Blinde unterrichten, geknüpft, erweitert und vertieft.

Das Unterrichtskonzept für die Schüler/innen legt seinen Schwerpunkt auf auditive Arbeitsweise (unter Nutzung verschiedener technischer Möglichkeiten). Zugleich wird die Braillenotenschrift vermittelt. Als schriftliches Verständigungsmittel wird die Braillevollschrift genutzt.

Die Studierenden durchlaufen ein Programm in verschiedenen Themenkreisen. Es führt von der Annäherung an die Erlebniswelt eines Blinden/ Sehbehinderten über die Auseinandersetzung mit seinen speziellen Voraussetzungen und Talenten bis zur "Andersgewichtung" verschiedener Lernfelder/ -inhalte. Der Aufbau verschiedener didaktischer Stränge und deren Zusammenführung in den Unterrichtsstunden werden mit den Studierenden erörtert. Auch hier spielt die Braillschriften eine Rolle.

Außerdem erhalten die Studierenden einen kurzen Überblick zum Thema Auge und jenen Augenkrankheiten, deren Auswirkungen Einfluss auf didaktische Entscheidungen haben. Zudem werden sie mit Lernbesonderheiten und möglichen Bildungswegen vertraut gemacht. Die Studierenden erhalten die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum zu hospitieren und selbst zu unterrichten.

Aktuelles

15 Jahre Blindenprojekt: Diplompädagogin Viola Michaelis betreut Spezialseminar „Klavierunterricht bei Sehschädigung“

Ein besonderes Lehrangebot am Institut für Klavier der Weimarer Musikhochschule feiert sein 15-jähriges Bestehen. Das sogenannte „Blindenprojekt“ unter der Leitung von Diplompädagogin Viola Michaelis betreut aktuell sechs sehgeschädigte Klavierschüler*innen im Alter zwischen 8 und 39 Jahren, die zum Teil am überregionalen Förderzentrum Sehen in Weimar unterrichtet werden.

Im Unterricht an der Diesterwegschule hospitieren regelmäßig Klavierstudierende mit der Vertiefung Instrumentalpädagogik, die sich zwei Semester lang mit den Bedürfnissen von sehgeschädigten Lernenden auseinandersetzen.

Dieses Spezialseminar mit dem Titel „Klavierunterricht bei Sehschädigung“ gehört zur didaktischen Ausbildung junger Klavierpädagog*innen. Die Idee dazu entwickelte die Weimarer Professorin Bettina Bruhn im Jahr 2009. Seit 2011 ist Viola Michaelis als Lehrende im Projekt aktiv. Sie sammelte auf Weiterbildungen, in der täglichen Praxis und in Gesprächen mit blinden Kolleg*innen und Lernenden Erfahrungen, die sie für die Studierenden aufbereitete.

Der Lehrstoff ist in insgesamt zehn Themenbereiche gegliedert. Da Theorie und Praxis untrennbar miteinander verbunden sind, ist das Hospitieren der Studierenden im Unterricht ein fester Bestandteil der Unterweisungen.

„Der Klavierunterricht wird nicht nur zum Teil in den Räumen des Förderzentrums Sehen erteilt, die Studierenden können hier auch den Schulbetrieb beobachten“, erklärt Viola Michaelis. „Besonders am Tag der offenen Tür können sie Erfahrungen in der Lebenswelt sehgeschädigter Schüler*innen machen, Bildungswege zur Kenntnis nehmen, optische und elektronische Blindenhilfsmittel kennenlernen, Lehrmaterial in Brailleschrift sehen und sich Dunkelversuchen stellen.“

Im Mittelpunkt des Blindenprojekts stehen die Klavierlernenden und das Aneignen adäquater Erfahrungen durch die Studierenden, um in der Lehrpraxis angemessene didaktische Entscheidungen treffen zu können. „Für die Lernenden ist es ein wichtiges Ziel des Projektes, Musik in ihr Leben zu integrieren, da ihre Freizeitbetätigungen naturgemäß eingeschränkt sind“, so Michaelis. „Voraussetzungen für das Freizeitmusizieren zu schaffen steht gleichberechtigt neben dem Ziel, besonders Begabten auch eine Berufsperspektive zu eröffnen.“

In den vergangenen 15 Jahren wurden insgesamt ca. 25 Sehgeschädigte, darunter sehbehinderte und blinde Lernende, Kinder mit AD(H)S, geistiger Behinderung, Hörbehinderung und Sprachbehinderung unterrichtet. Mittlerweile ist das Projekt auch in das Inklusionsnetzwerk Thüringen (VdM) eingebunden.

[12.07.2024]

Fortbildung für Klavierlehrende am Tiroler Landeskonservatorium am 26.05.2024

Eine Fortbildung zum Thema Blindheit fand am 26. Mai 2024 am Tiroler Landeskonservatorium in Innsbruck  (Österreich) statt. Als Referentinnen waren Bianca Vonmetz (Vertreterin des Blindenverbandes Österreichs) und Viola Michaelis (Blindenprojekt der Weimarer Musikhochschule) geladen. 

Nach der Einführung in die Lebenswelt blinder Menschen durch Bianca Vonmetz sprach Viola Michaelis über ihre Erfahrungen aus dem Klavierunterricht mit blinden Lernenden. Dabei  legte sie dar, welche Gründe zu bestimmten didaktische Entscheidungen führen und wie sich in der Folge die Arbeit an bestimmten Lerninhalten verschiebt.

Im Vorfeld konnten die Klavierlehrenden in Innsbruck ihre Fragen und Interessensgebiete anhand eines Fragebogens mitteilen, so dass sich im Referat Antworten und Vorschläge sehr klar kristallisieren konnten. Die Teilnehmer*innen zeigten sich sehr interessiert und nahmen durch Fragestellungen vor Ort sehr regen Anteil am Verlauf dieser Weiterbildungsveranstaltung.

Erfreulicherweise waren verschiedene Kolleg*innen bereits mit sehgeschädigten Lernenden in Kontakt gekommen. Im Wintersemester 2024/25 wird zudem ein blinder Klavierstudent sein Studium am Tiroler Landeskonservatorium aufnehmen.

Ansprechperson



Viola Michaelis

Tel. 03643 | 804616

viola.michaelis1(at)freenet.de