Teamwork, Berufspraxis und die nötige Strenge: Das Erfolgsrezept der Weimarer Dirigentenschmiede
"Tempoverlust" mahnt Nicolás Pasquet. Der Professor steht zwischen den Kontrabässen und fixiert unverwandt seinen Dirigierstudenten auf dem Podest. "Deine Auftakte sind immer noch zu träge", ruft er ihm zu. Zusammen mit seinem Kollegen Prof. Ekhart Wycik betreut Prof. Pasquet ein halbes Dutzend Dirigierstudenten bei einer Orchesterprobe.
Der Student im sechsten Bachelorsemester nickt unmerklich und hebt den Taktstock. Vor ihm sitzt ein Kammerensemble mit rund 40 Studierenden, die in Haydns Paukenwirbel-Sinfonie heute nur für ihn da sind: das "Orchester für den praktischen Dirigierunterricht", kurz OPD.
Großzügig unterstützt von externen Sponsoren ist das OPD einer der zahlreichen Schlüssel für den Erfolg der Weimarer Dirigentenschmiede. Vier- bis fünfmal im Semester besteht so die Möglichkeit, Standardrepertoire nicht nur mit Klavier, sondern unter realen Probebedingungen zu erarbeiten.
Das OPD stellt dabei nur einen Baustein im Ausbildungskosmos dar. Hauptpartner der Dirigentenklassen für den praktischen Unterricht ist an erster Stelle die Jenaer Philharmonie, dicht gefolgt von der Thüringen Philharmonie Gotha und der Staatskapelle Weimar. Die Studierenden stehen regelmäßig am Pult dieser Orchester bei Proben und Konzerten. Mehrtägige Exkursionen nach Tschechien ergänzen das Angebot, hier werden abwechselnd die Orchester in Teplice, Karlovy Váry und Hradec Králové für Praxiswochen engagiert. Auch hier betreuen beide Dirigierprofessoren Proben und Konzerte. Die Weimarer Studierenden wissen das zu schätzen. "Die Menge an Praxis ist hier viel üppiger als in meiner früheren Musikhochschule. Weimar ist die Top-Adresse in Deutschland."
"Augenkontakt zu den Bläsern – und die Sängerin mit der linken Hand mitnehmen!" mahnt Ekhart Wycik. Heute Vormittag wurde in der Orchesterprobe mit der Staatskapelle Weimar Rimsky-Korsakows "Sheherazade" gearbeitet, jetzt am Nachmittag steht mit "Ballo in maschera", "Entführung" und "Bohème" Opernrepertoire auf dem Programm. "Jetzt mal nicht reparieren", bittet er den Konzertmeister, "sondern so spielen, wie dirigiert wird!"
Die Dirigierprofessoren Nicolás Pasquet und Ekhart Wycik teilen sich die Ausbildungsarbeit des Instituts für Dirigieren und Opernkorrepetion: sie unterrichten die Klasse gemeinsam. Alle Studierenden des Studienganges Orchesterdirigieren haben auch Unterricht im Chordirigieren bei Prof. Puschbeck. Von ihrer engen Zusammenarbeit im Team und ihrer internationalen Expertise in Sinfonik und im Musiktheater-Repertoire profitieren alle Studierenden.
Das Prinzip "Alles im Team" sowie der gemeinsame Praxisunterricht schaffen für die Studierenden exzellente Möglichkeiten. Ein Absolvent: "Die Arbeit mit einem richtigen Orchester ist das A und O der Dirigierausbildung. Oft kommt diese Praxisarbeit zu kurz, da sie sehr aufwändig ist. Die Studierenden, die hier in Weimar ihren Abschluss machen, haben schon unheimlich viel Orchestererfahrung. In meinem früheren Studium war ich ein Student, der dirigiert. Jetzt bin ich ein Dirigent, der studiert."