Prof. Dr. Jascha Nemtsov | Foto: Igor Ryabov

Im Livestream: Tehila Nini Goldstein und Jascha Nemtsov präsentieren Lieder und Klaviermusik verfolgter jüdischer Komponisten aus Thüringen

Pianist Prof. Dr. Jascha Nemtsov interpretiert im Livestream am 13. November vergessene Werke verfolgter jüdischer Musiker

Im Rahmen der wissenschaftlichen Tagung „Verfolgte Musiker im nationalsozialistischen Thüringen. Eine Spurensuche II" am 12. und 13. November wird nicht nur diskutiert.

Vielmehr kann bei der online durchgeführten Tagung an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar die besprochene Musik auch gehört und im Livestream erlebt werden: Dafür sorgt die renommierte israelische Sängerin Tehila Nini Goldstein im Duo mit dem Pianisten Dr. Jascha Nemtsov, Professor für die Geschichte der jüdischen Musik am Institut für Musikwissenschaft Weimar-Jena.

Das Konzert im Festsaal Fürstenhaus der Weimarer Musikhochschule beginnt am Freitag, 13. November um 20:00 Uhr. Es kann auf der Website www.hfm-weimar.de live miterlebt werden: Hierfür sorgt das professionell ausgestattete Tonstudio der Musikhochschule.

Tehila Nini Goldstein und Jascha Nemtsov interpretieren Lieder und Klaviermusik der verfolgten und vergessenen jüdischen Komponisten Hans Heller, Joachim Stutschewsky und Gustav Lewin aus Thüringen, die zum großen Teil erst kürzlich wiederentdeckt wurden und eine bemerkenswerte Bereicherung des Repertoires des 20. Jahrhunderts darstellen.

So wird der Nachlass des Komponisten Hans Heller (1898-1969) aus Greiz erst seit etwa zwei Jahren ausgewertet. Inzwischen ist offensichtlich, dass es sich um einen der bedeutendsten Komponisten seiner Generation handelt – dessen Werk aber durch die Verfolgung in der NS-Zeit aus der Musikgeschichte vollständig eliminiert wurde.

Heller floh 1933 nach Frankreich, wurde nach der Besetzung Frankreichs zunächst in ein Internierungslager gebracht und musste später schwere Zwangsarbeit in der sogenannten Organisation Todt leisten.

Einen Tag vor der geplanten Deportation nach Auschwitz wurde er von einer SS-Angestellten gewarnt und konnte fliehen: Hans Heller überlebte dann in einem Versteck der Résistance. Aufgeführt wird u.a. Hellers Klaviersonate, die er 1927 noch während seiner Studien komponierte und die eine geradezu erstaunliche Meisterleistung und Originalität des damals jungen Komponisten offenbart.

Außerdem steht sein Liederzyklus „Vom kleinen Alltag“ (1930) nach Texten von Anton Wildgans auf dem Programm.

Joachim Stutschewsky (1891-1982) wirkte in Jena. Er war nicht nur Komponist, sondern auch Cellist und Musikforscher. Eines der aktuellen Projekte des Weimarer Lehrstuhls für die Geschichte der jüdischen Musik ist die erstmalige Publikation von Stutschewskys literarischem Nachlass. Stutschewsky gehörte vor dem 1. Weltkrieg als Cellist zum „Jenaischen Streichquartett“ und trat mehrfach solistisch mit dem Universitätsorchester auf.

Ab 1938 lebte er in Israel, schrieb aber weiterhin nur auf Deutsch. In seinen Werken verwendete er oft traditionelle jüdische Melodien aus Osteuropa, so auch in seinen „Vier jüdischen Tanzstücken“ für Klavier, die auf dem Programm des live gestreamten Konzerts stehen.

Schließlich werden noch mehrere Werke von Gustav Lewin (1869-1938) zu hören sein, darunter das Klavierstück „Caprice“ und einige Lieder. Lewin lebte ab 1898 in Weimar, wo er als Komponist, Dirigent und Pädagoge an der Musikhochschule wirkte. Im Juli 1933 wurde er aus seinen Ämtern an der Musikhochschule entlassen.

Aufgrund zunehmender staatlicher Verfolgungen und persönlicher Anfeindungen – auch seitens seiner früheren Freunde und Schüler – nahm er sich im Herbst 1938 das Leben, indem er die Nahrungsaufnahme verweigerte. Auch seine Werke werden nun zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten aufgeführt.

Livestream unter www.hfm-weimar.de

[04.11.2020]