Die Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen bilanziert das aktuelle "Hybrid-Semester" - und appelliert an die Politik

In einer Pressemitteilung hat die RKM-Konferenz die Bedeutung der Präsenzlehre an den deutschen Musikhochschulen betont

Die Pressemitteilung der "Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen in der Hochschulrektorenkonferenz" vom 2. Juli 2020 im Wortlaut:

"Musikhochschulen sind Live-Musik-Orte, an denen geübt wird, Einzel- und Ensemble-Unterricht erteilt wird und das Erarbeitete auf die Bühne gebracht wird. Ohne Üben, ohne Präsenzlehre im direkten Austausch mit den Lehrenden, ohne das gemeinsame Musizieren im (Vokal-)Ensemble ist die Weiterentwicklung des Könnens unmöglich und die Exzellenz eines künstlerischen Studiums als Beginn einer künstlerischen Karriere nicht erreichbar.

Somit stand in den Musikhochschulen gleich in den ersten Tagen des Lockdown die Herausforderung vor Augen, dass ein „Hybrid-Semester“ ‚erfunden‘ werden musste. Die 24 Musikhochschulen in Deutschland sind diesen Weg zum „Hybrid-Semester“ auf beeindruckende Weise gegangen: In einem Kraftakt haben sie auf der Grundlage vielfältiger Forschungen über die Virenübertragung durch Aerosole beim Singen und Spielen der verschiedenen Instrumente und im Rahmen der jeweiligen Länderverordnungen Kombinationen von digitaler Lehre und Präsenzlehre entwickelt, mit denen die Ausbildungsqualität an den deutschen Musikhochschulen gesichert ist.

Zwischenbilanz ist: Diese Herausforderung war für alle Musikhochschulen ein starker Impuls. Manches, was jetzt aus dem Stand an digitalen Optionen entwickelt und erprobt wird, werden wir dauerhaft in die künstlerische Lehre integrieren.

Das ändert jedoch nichts an der durch die digitalen Erfahrungen umso klareren Einsicht:

Künstlerischer Einzel- und Ensembleunterricht kann durch digitale Formate ergänzt, nicht aber ersetzt werden. Auf diese besondere Situation der Kunst- und Musikhochschulen, die „auf praktische Lehrformate angewiesen sind, die in vollem Umfang nur im Präsenzunterricht möglich sind“, hat HRK-Präsident Prof. Dr. Peter André Alt bereits am 22. Mai 2020 hingewiesen und dringend an Bund und Länder appelliert, „bei allen künftigen Beschlüssen die besonderen Bedürfnisse der Kunst und Musikhochschulen gezielt zu berücksichtigen.“

Im Rückblick auf das Sommersemester 2020 und im Vorausblick auf das Wintersemester 2020/21 bekräftigt die RKM diesen dringenden Appell, da an den Musikhochschulen eine ganze Reihe von Herausforderungen bestehen bleiben, die sie nicht aus eigener Kraft lösen können:

  • Als Hochschulen, in denen Präsenzlehre zentral ist, standen Musikhochschulen digital nicht in den Startlöchern, müssen nun ihre Infrastruktur erheblich nachrüsten. Dazu bedarf es technischer Ausstattung und geeigneten EDV-Personals, was für kleine Hochschulen finanziell eine extreme Hürde ist und, was die Stellenbesetzungen angeht, in der Konkurrenz am Arbeitsmarkt oft nicht oder nur sehr zeitverzögert realisierbar ist.
     
  • Als Hochschulen, in denen es im Digitalen vor allem um eine gute Klangqualität geht, fallen an den Musikhochschulen für eine technisch ihren Aufgaben adäquate Ausstattung (Mikrophonie und Klangübertragung) deutlich höhere Kosten an – auch für die Studierenden, die keineswegs alle qualitativ ausreichende Endgeräte besitzen und qualitätvolle Endgeräte gerade jetzt, bei wegfallenden Konzerten und anderen Jobs, nicht kaufen können.
     
  • Als Hochschulen, in denen Präsenzlehre auch für die Bereiche von Chor und Orchester zentral ist, benötigen Musikhochschulen im Kontext des Abstandsgebots zusätzliche, sehr große Räumlichkeiten: In Konzert- und Opernhäusern werden derzeit Konzepte für reduzierte Besetzungen entwickelt: Das geht an Musikhochschulen nicht in gleicher Weise: Das Spiel im Orchester ist an den Musikhochschulen eine Studienleistung, für die es ausreichende Angebote geben muss. Hier müssen Lösungen gefunden werden, da Studienleistungen vorübergehend, aber nicht über längere Zeit verschoben werden können, ohne die Ausbildungsqualität an den deutschen Musikhochschulen zu gefährden. Diese Lösungen sind kostenintensiv.
     
  • Trotz der guten Lösungen, die die 24 deutschen Musikhochschulen aus dem Stand für das „Hybrid-Semester“ 2020 gefunden haben, werden wir in besonderer Weise mit Studiensemester- Verlängerungs-Anträgen konfrontiert werden, weil keinerlei Arbeit in größeren Ensembles bis hin zu Orchestergröße angeboten werden konnte. Daraus werden erheblich Folgekosten resultieren, mit denen die Musikhochschulen nicht allein gelassen werden dürfen. Hier gilt es, gemeinsam Verantwortung für die künstlerischen Karrieren der Studierenden an den deutschen Musikhochschulen zu übernehmen."