Hwayoon Lee (li.) und Ferenc Rados während des Meisterkurses | Foto: Ina Schwanse

„Komplett neu entdeckt“: Bratscherin Hwayoon Lee holt sich bei Weimarer Meisterkursen Inspiration von Klavierprofessor Ferenc Rados

Weimarer Meisterkurse: Klavierprofessor Ferenc Rados unterrichtet mit Hwayoon Lee sogar eine Bratscherin

Fürstenhaus, zweite Etage. Hinter der schweren Doppeltür von Raum 213 unterrichtet seit einigen Tagen Ferenc Rados – eine pädagogische Legende für Pianistinnen und Pianisten aus aller Welt. Die Südkoreanerin Hwayoon Lee zählt zu den 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die der Klavierprofessor aus Ungarn zu seinem Meisterkurs in Weimar zugelassen hat.

Doch wenn die 21-Jährige ihm vorspielt, fliegen ihre Finger nicht etwa über die Tasten eines Flügels: Hwayoon Lee streicht die Saiten ihrer Viola. Denn Ferenc Rados hat ein sehr offenes Konzept für seinen Meisterkurs – und unterrichtet ausnahmsweise sogar Streicher.

„Ferenc Rados ist einfach der Beste überhaupt!“, erzählt die junge Bratscherin. „Ich bin so glücklich, den Meisterkurs hier mit ihm machen zu können.“ Vor drei Jahren hat sie ihn an der Kronberg Academy kennengelernt, wo sie seit 2014 studiert. Jetzt konnte sie ihn wiedertreffen.

In den ersten beiden Stunden hat sie mit Rados an Brahms gearbeitet. Für ihre letzte Unterrichtsstunde hat sie Bartóks Violakonzert mitgebracht. „Ich wollte ihm das Konzert unbedingt vorspielen, weil ich so viele Fragen dazu habe“, so Hwayoon Lee. Sie beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit dem Stück. „Heute habe ich es komplett neu entdeckt“, erzählt sie nach dem Unterricht.

Mehrfach ist es Ferenc Rados während des Meisterkurses anzumerken, dass er ihrer Interpretation widerspricht. „Ich verstehe nicht, was Sie damit wollen“, sagt er ihr gegen Ende des ersten Satzes mit seiner ruhigen, tiefen Stimme. Hwayoon Lee nimmt ihm das nicht übel. Ihrem Gesicht ist anzusehen, dass sich ihr ein neuer Horizont eröffnet. Sie spielt das Konzert, das Bartók selbst nie beenden konnte, in der Bearbeitung von Tibor Serly.

„Mit den Bogenstrichen, Tempi und der Dynamik dieser Bearbeitung ist Rados überhaupt nicht einverstanden“, erklärt sie. Für sie sei es daher unendlich wertvoll zu erfahren, wie er das Violakonzert lese. „Durch seine Anmerkungen ist das Werk noch einmal ganz anders bei mir angekommen. Es ist wie ein neues Stück für mich.“ In den kommenden Wochen wird Hwayoon Lee weiter daran arbeiten. Sie bereitet sich momentan für den ARD-Musikwettbewerb im September vor und möchte das Konzert dann dort vortragen.

19.07.2018