Liszt-Interpretationen von Bruno Hinze-Reinhold

Liszts Musik war aus unterschiedlichen Gründen nicht unumstritten. Sie galt bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein vielen Musikern in Deutschland als zu effekthascherisch, wobei man sich, wenn man sich mit ihr auseinandersetzte, am ehesten auf sein Klavierwerk, konzentrierte, während man andere Werke – etwa die symphonischen – nur gelegentlich auf die Spielpläne setzte und seine sakralen Werke weitgehend ausblendete.

Die Tondokumente von Bruno Hinze-Reinhold (1877–1964) umfassen Gespräche und Werkinterpretationen, vor allem der Klaviermusik aus den letzten Lebensjahren Liszts, welche unter anderem auch für Arnold Schönbergs (1874–1951) oder Béla Bartóks (1181–1945) Entwicklung einer Neuen Musik von Bedeutung war. Hinze-Reinhold kann als einer der Wegbereiter der Musik Liszts in Deutschland im 20. Jahrhundert gelten. 1916 wurde er Direktor der Großherzoglichen Musikschule, wie die Großherzogliche Orchesterschule mittlerweile hieß, und schuf in seiner bis 1926 währenden Amtszeit die Voraussetzungen für die Umwandlung in eine Musikhochschule. Zudem setzte er sich auch danach mehrfach für von den Nationalsozialisten angefeindete Musiker der Hochschule ein, unter anderem für den Dirigenten Ernst Praetorius (1880–1946), der mehrere Werke zeitgenössischer Musik in Weimar zur Aufführung brachte. 1929 übernahm Hinze-Reinhold erneut die Leitung der Hochschule. 1933 musste er jedoch auf Druck der thüringischen Landesregierung, die mittlerweile nationalsozialistisch geworden war, sein Amt aufgeben.

Hinze-Reinhold sah sich zwar durchaus dem Deutschtum verpflichtet, wollte dies gleichwohl nicht nationalsozialistisch verengt und zugespitzt wissen. Hinweise zu seinem Leben und Wirken bieten seine von Michael Berg (1938–2019) 1997 herausgegebenen "Lebenserinnerungen" mit einem Vorwort des Musikwissenschaftlers Hans Heinrich Eggebrecht (1919–1999)1. Weitere wichtige Hinweise, vor allem zum Wirken Hinze-Reinholds als Hochschuldirektor, finden sich in Wolfram Huschkes Buch "Zukunft Musik", ferner in Marco Lemmes 2013 veröffentlichtem Buch "Die Ausbildung von Kirchenmusikern in Thüringen 1872–1990".

Prof. Dr. Albrecht von Massow


1 Zu der Kontroverse, die seit mehreren Jahren wegen der vermuteten Teilnahme Eggebrechts an Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg geführt wird, vgl. von Albrecht v. Massow, „Gehversuche musikwissenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung“, in: „Freiburger Universitätsblätter“, H. 195, 2012, S. 13–50.

Werbeband für Liszt-Konzert mit Interview, Franz Liszt: Bearbeitung des Liedes "Mädchens Wunsch"