Franz Liszt: Études d’exécution transcendante

Etüde Nr. 10 Presto molto agitato in F-Moll

Der Namensgeber der Weimarer Musikhochschule, Franz Liszt, wurde am 22. Oktober 1811 als Kind von Georg Adam Liszt und Maria Liszt (geb. Lager) geboren. Er wuchs ohne Geschwister bei Ödenburg im ungarischen Kronland des Kaisertums Österreich auf. Nach erstem Klavierunterricht bei seinem Vater erhielt er 1820 von einflussreichen Adeligen Ungarns ein sechsjähriges Stipendium und wurde schon früh als virtuoser Pianist bekannt. 1822 zog die Familie nach Wien. Dort bekam der junge Liszt Unterricht bei Carl Czerny am Klavier und Antonio Salieri in der Allgemeinen Musiklehre. 1823 wurde Liszt am Conservatoire in Paris abgewiesen, allerdings blieb die Familie in Paris und Liszt erhielt Unterricht in Musiktheorie bei Antonin Reicha und Ferdinando Paër. Sein Vater organisierte Konzertreisen durch Frankreich ebenso wie durch England. Als dieser 1827 verstarb, musste Liszt sich selbst und seine Mutter versorgen, so dass weitere Konzertreisen vorerst ausblieben.

Da er im Kindesalter nur kurz die Volksschule besucht hatte, wollte er durch die Auseinandersetzung mit der klassischen und der modernen Literatur seine Bildung verbessern. In Paris traf er Musiker wie Hector Berlioz, Frédéric Chopin, Niccolò Paganini und Gioachino Rossini. Als Liszt 1834 eine Affäre mit der verheirateten Marie d’Agoult begann, aus der drei Kinder hervorgingen, entbrannte ein gesellschaftlicher Skandal und sie flohen gemeinsam nach Genf. 1838 trennten sich die beiden vorläufig, 1844 endgültig. Ab 1837 konzertierte Liszt mit zeitgenössischen Werken, mit Übertragungen Beethovens und Schuberts und mit Eigenkompositionen.

Als er 1840 in seine Heimat im ungarischen Burgenland (heute Österreich) reiste, wurde er dort als Nationalheld gefeiert. Hier entstanden die „Ungarischen Rhapsodien“ mit Elementen aus der populären ungarischen Musik. Er ging 1847 eine Beziehung mit der russischen Fürstin Caroline zu Sayn-Wittgenstein ein. Ab 1842 trat Liszt immer mehr als Dirigent in Weimar hervor und übernahm hier schließlich 1849 die Position des Kapellmeisters, die an Stelle seiner Virtuosenkarriere trat. Liszt pflegte gute Kontakte zu Berlioz, Robert Schumann und besonders Richard Wagner. Diese Freundschaft wurde jedoch wegen Wagners Beziehung mit Liszts Tochter Cosima zwischenzeitlich unterbrochen. 1849 bis 1858 entstanden unter anderem die neuartigen „Symphonischen Dichtungen“ und bedeutende Orgelwerke. 1861 trennte sich Liszt von Caroline zu Sayn-Wittgenstein und beendete außerdem nach Tumulten seinen Dienst in Weimar.

In Rom wendete sich Liszt 1865 verstärkt zur Kirche hin, empfing die niederen Weihen und seine Kompositionen waren stärker religiös inspiriert als bisher. Ab 1966 lebte und unterrichtete er abwechselnd in Weimar und Rom und wurde 1875 in Budapest Präsident der neuen Musikakademie. Nach einem Treppensturz in seinem Weimarer Haus 1881 verschlechterte sich der Gesundheitszustand zunehmend. Als er zu den von seiner Tochter Cosima inszenierten Festspielen nach Bayreuth reiste, starb Liszt am 31. Juli 1886 in Folge einer Lungenentzündung und wurde auf dem dortigen Stadtfriedhof beigesetzt.

Zu Liszts ersten bemerkenswerten Kompositionen gehören zwölf Etüden von 1825/26 aus seinen Klavier- und Kompositionsstudien. Nach einer ersten Umformung und Überarbeitung um 1837 mit höchstem pianistischem Anspruch entstand 1851 eine dritte – Czerny gewidmete – Fassung als „Études d'exécution transcendantes“. Sie gelten als Zeugnisse einer revolutionären Entwicklung der Klavierliteratur und als Höhepunkte virtuoser Klaviermusik mit einer visionären Tonsprache und poetischem Ausdruck. Robert Schumann kommentierte die Musik mit den Worten: „Es sind wahre Sturm- und Graus-Etuden, Etuden für höchstens zehn oder zwölf auf dieser Welt; schwächere Spieler würden mit ihnen nur Lachen erregen.“1

Trotz der Bezeichnung Etüden geht es weniger um bestimmte Spielfiguren oder pianistische Ideen als mehr um eine Klangvorstellung und einen poetischen Inhalt als Kompositionssujet. Etüde Nr. 10, „Presto molto agitato“ steht in F-Moll und erforderte in der Version von 1837 ein hohes Maß an Sicherheit in Sprüngen, Weitgriffigkeit und Unabhängigkeit der Finger, sodass Liszt ihre technische Komplexität in der Überarbeitung stark reduzierte. Vertont wird die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit eines Menschen in einer ausweglosen Situation, was beispielsweise durch die Spielanweisung „disperato“ („verzweifelt“, T.126f.) deutlich wird.


Volkmar Lehmann, Klavier

Volkmar Lehmann studierte von 1953 bis 1958 bei Juliane Lerche in Weimar Klavier und nahm an Meisterkursen u.a. bei Guido Agosti, Pawel Serebrjakov und Lajos Hernádi teil. 1961 und 1966 in Budapest und 1962 in Helsinki erhielt Lehmann Diplome bei internationalen Klavierwettbewerben. Er trägt außerdem den Kunst- und Literaturpreis der Stadt Weimar von 1978. Eine rege Konzerttätigkeit brachte ihn seit 1958 auf Bühnen fast überall in Europa, einigen Ländern Asiens und Kuba. Weitere Bekanntheit erlangte er durch Funk- und Schallplattenproduktionen und CD-Einspielungen mit Werken von Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann, Brahms, Liszt, Chopin, Dvořák, Ravel, Debussy, Bartók, Prokofjew und zeitgenössischen Komponisten. 1962 bis 1994 unterrichtete er an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar. Er brachte Preisträger bei nationalen und internationalen Wettbewerben hervor. Außerdem sind zahlreiche seiner Absolventen und Absolventinnen geachtete Pädagoginnen und Pädagogen an vielen Musikhochschulen. Jury-Tätigkeiten, Interpretationskurse, Fortbildungen für Pianisten und Pädagogen und die Gründung des „Weimar Trios“ runden Lehmanns Tätigkeitsfeld ab.

Felix Schramm


1 Robert Schumann, „Gesammelte Schriften über Musik und Musiker“, Leipzig 1854, S. 166.