Franz Liszt: Großes Konzertsolo

Franz Liszt komponierte zwischen 1849 und 1850 das einsätzige Klavierstück „Grosses Concert-Solo für das Pianoforte“ (S176), welches heute allgemein auch als „Grosses Konzertsolo in E-Moll“ bekannt ist und aus dem nie veröffentlichten „Grand solo de concert“ (S175a) entstand. Ursprünglich schrieb Liszt das markante Werk für seinen Freund und Klaviervirtuosen Adolf Henselt (1814‒1889), um es im Rahmen des Klavierwettbewerbs am Pariser Konservatorium 1850 von ihm uraufführen zu lassen. Jedoch lehnte Henselt das Angebot ab, da er das Stück aufgrund seines hohen Schwierigkeitsgrades schlichtweg nicht meistern konnte.

Liszt schickte daraufhin auch eine Kopie der Partitur an Clara Schumann (1819‒1896), die sich aber ebenso wenig bereiterklärte, es aufzuführen. Amüsanterweise begründete Schumann ihre Entscheidung öffentlich positiv konnotiert damit, dass die spieltechnischen Anforderungen unverhältnismäßig hoch seien, während sie das Klavierstück im privaten Umfeld kritisierte und als leere Virtuosität herabwürdigte ‒ ein Umstand, welcher vielleicht aus ihrer ambivalenten Haltung zu Liszts musikalischer Begabung erklärbar sein könnte. Liszts Aussage zufolge gelang es schließlich zuerst seinem Schüler Carl Tausig (1841‒1871), das Werk zur Aufführung zu bringen.

Neben dem hohen spielerischen Schwierigkeitsgrad weist das „Grosse Concert-Solo“ weitere prägnante Merkmale sowie Ähnlichkeiten zu weitaus bekannteren Werken von Liszt auf. Sowohl dieses Werk als auch seine bahnbrechende „Sonate für das Pianoforte in H-Moll“ (Robert Schumann gewidmet; S178) sind in einer erweiterten, einsätzigen Sonatenform komponiert und beinhalten zudem vergleichbare Vortragsbezeichnungen, wie beispielsweise „Allegro energico“, „Andante sostenuto“ sowie „Grandioso“.
Weiterhin entstanden die Stücke während Liszts produktiver Schaffenszeit in Weimar zwischen 1848 und 1861. Dabei erfordern sie nicht nur technisch ähnlich hohe Ansprüche, sondern sind auch gleichermaßen in Moll verfasst.

Liszts Inspiration für die einsätzige Form entsprang aus Franz Schuberts sogenannter „Wanderer-Fantasie“ in C-Dur (Opus 15/D760) von 1822, in welcher die vier Sonatensätze fließend ineinandergreifen. Das Werk stellt zugleich Schuberts technisch schwierigstes dar, so dass er es selbst nie komplett beherrschte, wohingegen Liszt von den klangtechnischen Facetten dermaßen fasziniert war, dass er das Stück nicht nur öfter problemlos aufführte, sondern auch noch eine Bearbeitung für Klavier und Orchester (S366) im Jahr 1851 anfertigte, woraus er später noch eine Version für zwei Klaviere schuf (S653).

Abgesehen von der erwähnten „H-Moll-Sonate“ teilt das „Grosse Concert-Solo“ auch Charakteristika mit anderen großen Werken Liszts: So lassen sich thematische Bezüge zur „Faust-Sinfonie“ (S108), zur „Après une lecture du Dante: Fantasia quasi Sonata“ ‒ auch bekannt als „Dante-Sonate“ ‒ (S161/7) sowie zu dem Stück „Vallée d’Obermann“ (S160/6) herstellen. Doch trotz der Ähnlichkeiten zu seinen populäreren Werken blieb der Erfolg des „Grossen Concert-Solos“ weitestgehend aus.

Zu hören in untenstehender Aufnahme ist der Pianist Prof. István Antal.

Viktor Heinrich