Johann Cilenšek: Silhouetten für 15 Solostreicher

Der Komponist Johann Cilenšek wurde am 4. Dezember 1913 in Großdubrau bei Bautzen geboren. Von 1935 bis 1939 studierte er Orgel und Komposition am kirchenmusikalischen Institut des Konservatoriums in Leipzig.

Nach seiner Dozentur für Musiktheorie am „Thüringischen Landeskonservatorium“ in Erfurt wirkte er von 1945 bis 1947 an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT in Weimar zunächst als Professor für Komposition. Von 1966 bis 1972 war Cilenšek zudem als Rektor der Hochschule tätig und war über sein altersbedingtes Ausscheiden aus dem Lehramt hinaus von 1978 bis 1980 als Lehrbeauftragter präsent.1

Sein orchestrales Schaffen umfasst unter anderem das Werk „Silhouetten für 15 Solostreicher“, dessen Uraufführung am 6. Juni 1988 im Kammermusiksaal des „Schauspielhauses Berlin“ mit dem „Neuen Berliner Kammerorchester“ unter der Leitung von Heinz Schunk stattfand. Wie der Titel sagt, ist das Werk für 15 Streicher komponiert: neun Violinen, drei Violen, zwei Violoncelli und ein Kontrabass. Cilenšek untergliedert sein Stück in vier Teile, welche er wie folgt beschreibt:

„Im ersten Teil wird die gewählte Struktur in sehr schneller Bewegung in der Art von Tonleiter-Passagen und Glissandi durchlaufen, die sich gegen Ende in ein freies, nicht taktgebundenes Spiel auflösen. Ruhige Melodiebögen der Solo Violine, die von zwei oder auch drei Solostimmen umrahmt werden, herrschen im zweiten Teil vor. Eine Reihe stiller Tutti Akkorde unterbricht den melodischen Fluss nur kurz. Der schnelle dritte Teil reiht in lockerer Folge vielstimmige Melodien, ist aber durch die synchrone Führung der Stimmen dennoch durchhörbar gestaltet. Mit ruhigen Akkorden beginnt der letzte Teil. Diese werden jedoch von kurzen, in eine Kadenz einmündenden Einwürfen gestört, die anfangs ruhige Stimmung überwindend. Eine Coda schließt sich an, Gestaltungselemente des ersten Teiles aufgreifend.“2

Der erste und der letzte Abschnitt des Werks beginnen und enden im 4/4 Takt, das Tempo ist mit ,,presto” angegeben, zudem soll ,,fortissimo” gespielt werden. Im Verlauf des Stücks treten weitere Taktarten, Tempi und Dynamiken auf; zusätzlich fließt auch die Freiheit mancher Passagen im ,,rubato” mit ein. Der zweite Teil steht im Kontrast zum ersten Teil, geprägt von den Spielanweisungen ,,tranquillo”, ,,mezzoforte” und ,,rubato”. Interessant ist auch die Angabe, dass „Versetzungszeichen nur für die folgende Note sowie für deren Wiederholung oder Anbindung“3  gelten. Der Tonraum ist also eher weniger an ein Dur- bzw. Moll-System gebunden, sondern zeigt unter vielen anderen Aspekten die intensive Auseinandersetzung Cilenšeks mit der Modernen Musik.

Durch das Wort ,,Silhouetten” wird ein möglicher Charakter des Stücks verdeutlicht, der sich durch viele Kompositionsmerkmale, die Besetzung und deren klangliche Möglichkeiten ergibt. Im Werk hörbar sind zum einen viele moderne Kompositionstechniken. So integriert Cilenšek aleatorische Abschnitte, in denen die Notenwerte relativ frei sind.4  Zum anderen wird Cilenšeks „Vorliebe für kontrapunktisch-polyphone Gestaltungen“5  deutlich, verbunden mit einem sehr offenen und freien Klangraum. Es findet sich eine Bandbreite von polyphonen und dichten Stellen vieler Streicher gleichzeitig, die sowohl düster als auch schemenartig wirken können. „Nicht motivisch-thematisches Material bestimmt die einzelnen Teile des Werks“.6 In diesem Sinne existiert also kein ‚roter Faden’, kein klares und führendes Leitthema, das von einem gewissen harmonischen Fundus unterstützt und somit ein klares, eindeutiges Bild vor Augen führen würde. Vielmehr werden viele schemenhafte, teils düstere, oft hektische und flüchtige Phrasen hörbar, die eher das Bild von vielen im Schatten liegenden Silhouetten erzeugen. Die klanglichen und technischen Möglichkeiten der Streicher verstärken zudem den dunklen, silhouettenartigen Charakter.

Die Glissandi wirken, als würden die Streicher dem Hörer ein Gemälde mit vielen schwarzen Schattierungen und Umrissen skizzieren. Diese sind aber so unterschiedlich und vielseitig gesetzt, dass anstelle eines nach und nach immer ersichtlicheren Gesamtkunstwerks eher viele unvollkommene, bizarre Figuren im Raum entstehen. Zudem sollen die Violen und die Celli an einigen Stellen „[viele] verschiedene Töne auf den angegebenen Saiten greifen. Finger nur lose aufsetzen, keine distinkten Töne erzeugen.“7 Die Streicher erzeugen also an dieser Stelle im wahrsten Sinne des Wortes nicht direkt greifbare, unscheinbare und sonderbare Tongeflechte, die wieder einen Bezug zu den im Titel aufgegriffenen „Silhouetten“ kreieren.

Abschließend wird mit diesem Zitat der Einfluss moderner Kompositionstechniken auf Cilenšeks Schaffen deutlich und es wird nochmals klar, wie vielseitig und vielsaitig sein Werk „Silhouetten für 15 Solostreicher“ ist.

Martin Bogner


1 Vgl. Dieter Härtwig, „Cilenšek, Johann“, in: MGG Online (2016) <https://www.mgg-online.com/mgg/stable/21000> 28.05.2021.
2 Karin Raab, Programmheft der Musikalischen Akademie – Rundfunk der DDR zum fünften Anrechtskonzert, 05.03.1989, S. 3.
3 Johann Cilenšek, Silhouetten für 15 Solostreicher (1989), Weimar, Teilbibliothek Musikwissenschaft | Hochschularchiv Thüringisches Landesmusikarchiv NJC – 23, S. 2.
4 Vgl. ebd.
5 Härtwig, „Cilenšek, Johann“ (wie Anm. 1)
6 Raab, Programmheft der Musikalischen Akademie – Rundfunk der DDR zum fünften Anrechtskonzert (wie Anm. 2), S. 3.
7 Cilenšek, Silhouetten für 15 Solostreicher (wie Anm. 3), S. 5.