Das 100-jährige Jubiläum der „Großherzoglichen Orchesterschule“ 1972

Das 100. Jubiläum der Hochschule im Jahre 1972 ging hochschulpolitisch mit einer Zäsur einher, nämlich durch den Übergang des Rektorats von Johann Cilenšek auf Hans-Rudolf Jung (geb. 1921). Während Cilenšek (Rektor 1966–1972) das wie in allen maßgeblichen Institutionen der DDR aus dem Hintergrund omnipräsente Einwirken des „Ministeriums für Staatssicherheit“ und der SED auf Organe der Hochschule stets abzufedern suchte durch einen primären Fokus auf künstlerische bzw. sachimmanente Erfordernisse einer Musikhochschule, zeigte sich Jung (Rektor 1972–1980) weniger interessiert an diesem Fokus und stärker gefügig gegenüber jenem externen politischen Einwirken.

Wolfram Huschke hat in seinem Buch „Zukunft Musik" (S. 394–416) diese Zeit der hochschulpolitischen Lähmung, die erst mit dem Amtsantritt von Diethelm Müller-Nilsson (geb. 1929) 1980 endete, anhand signifikanter Dokumente dargestellt und damit wichtige Fingerzeige für eine weitere Aufarbeitung der politischen Hochschulgeschichte gegeben.

Die künstlerische Entwicklung der Hochschule erwies sich gleichwohl vergleichsweise robust gegenüber externer politischer Einwirkung, wenngleich einzelne ihrer Mitglieder verschiedentlich Repressalien ausgesetzt waren, beispielsweise Peter Gülke (geb. 1934, Dirigent, Musikwissenschaftler und Musikschriftsteller), der dann 1983 die DDR verließ. War dies einerseits nicht nur für das Musiklebens Weimars ein großer Verlust, so erfuhren künstlerische Belange an der Hochschule andererseits eine Stärkung, unter anderem durch die schon länger erwogene Einrichtung einer Meisterklasse für Komposition, die dann durch Johann Cilenšek profunde Wege in die Neue Musik eröffnete, welcher die offizielle Ästhetik der DDR stets ablehnend gegenübergestanden hatte.

Zum Jubiläum 1972 wurden erneut Konzerte und Ansprachen bzw. Gespräche geboten, wenngleich hier nicht so viele Tondokumente überliefert sind. War schon die Tonqualität der Tondokumente zur Namensgebung 1956 stellenweise passabel, so genügte sie nun hohen Ansprüchen. Erneut waren Musiker der Hochschule vielfältig beteiligt.

Prof. Dr. Albrecht von Massow