Franz Liszt: Ungarische Rhapsodie Nr. 20 / Magyar Dallok Nr. 9

Franz Liszt wurde am 22. Oktober 1811 in Raiding, damals Königreich Ungarn im Kaiserreich Österreich, geboren. Ebendieser Gemeinde hat Rudolf Otte den Autographen des nachfolgend dargelegten Stückes überlassen. Auf der Rückseite des als Eigentum der „Rudolf Otte-Stiftung Raiding“ im Burgenländischen Landesmuseum aufbewahrten Autographen von Franz Liszt steht vermerkt: „Dieses Liszt-Manuskript als ‚Ungarische Rhapsodie, dem Grafen Alberti gewidmet‘ vom letzten Vetter von Franz Liszt, Univ. Prof. des Strafrechtes, Dr. Eduard Ritter von Liszt anno 1939 erhalten zu haben bescheinigt Rudolf Otte. (Franz-Liszt-Forscher)“1. Eduard Liszt (1817–1879) ist ein Halbonkel Franz Liszts, ein Sohn aus dritter Ehe dessen Großvaters Georg Adam (1755–1886).

Inspiriert von ungarischen Zigeunerkapellen veröffentlichte Franz Liszt bereits in den Jahren 1840 bzw. 1843 die „Magyar Dallok - Ungarische Nationalmelodien für das Piano-Forte von Franz Liszt“ mit elf Stücken in vier Heften, darunter auch das hier betrachtete Stück Nr. 9 in Heft 3.2 Liszt hatte das Stück französisch mit ,,An meinen ausgezeichneten Freund Graf Alberti”3 überschrieben. Die Widmung wurde bei der Veröffentlichung allerdings ausgelassen. Diese Reihe führte er nach einem weiteren Ungarnbesuch im Jahre 1846 fort, betitelte die weiteren Stücke aber mit „Magyar Rhapsodiák: Rapsodies hongroises pour Piano seul par F. Liszt“.4

„Liszt gedachte zunächst, diese Serie fortzusetzen; die Manuskripte von Nr. 18–21 liegen in Autograph oder Abschrift vor, zu deren Druck kam es aber zu Liszts Lebzeiten nicht mehr. Diesem Komplex […] ist noch ein weiteres Stück zuzurechnen, das Liszt […] mit „Pesther Carneval“ betitelt hat, das […] 1847 bei Haslinger in Wien erschienen ist. […] Als Weimarer Hofkapellmeister hat Liszt ab 1851 eine neue Folge von „Rhapsodie hongruises“ erscheinen lassen, […] mit denen er die frühere Fassung für ungültig erklärte […].“5 Dabei komponierte er die wenigsten Stücke neu, sondern verarbeitete das bereits vorhandene Material. Von den Themen, die in diesem Stück erschienen sind, wurde keines im zweiten Zyklus wiederverwendet.6  „Die Umarbeitungen zum zweiten Zyklus lassen eine künstlerische Tendenz erkennen, die sich schon innerhalb des ersten Zyklus‘ in der Umbenennung von „Magyar Dallok zu Magyar Rhapsodiák“ ausspricht: nämlich die von ‚Volksliedbearbeitungen‘ ungarischer Musik zu eigenständigen, anspruchsvollen musikalischen Gebilden.“7

Im Jahre 1969 veröffentlichte Rudolf Otte dieses Autograph als „Ungarische Rhapsodie (Nr.20)“. Otte erwähnt in seiner Ausgabe im Vorwort zwar, dass Liszt dieses Stück bereits selbst hat drucken lassen8, kam aber aufgrund folgender Erwähnungen dazu, es als die 20. Rhapsodie zu betiteln: Lina Ramann, deutsche Musikpädagogin und -schriftstellerin, Verfasserin klavierpädagogischer Schriften und Biografin Franz Liszts, die auch in musikalischer Freundschaft mit diesem stand, gab in ihrem 2. Buch an, dass es noch ein Manuskript einer 20. Rhapsodie gäbe, welches im Jahre 1886 entstanden sei.9 „August Göllerlich, der ehemalige Liszt-Schüler und -Sekretär [erwähnt] zwar in seiner Liszt-Biographie von 1909, dass Liszt das ‚Gesamtwerk seiner „Ungarischen Rhapsodien“ als 74-Jähriger mit seiner »Neunzehnten« gekrönt [habe]‘, führt jedoch […] im Werkverzeichnis vor den „Ungarischen Rhapsodien No. 1–19“ und außer der Zählung eine „Ungarische Rhapsodie, dem Grafen Alberti gewidmet“ an.“10

Diese Betitelung ist demnach nicht korrekt.

Vor das erste Thema setzt Liszt eine Einführung aus verminderten Akkorden mit anschließenden Trillern, die das bekannte Instrument der Ungarn, das Zimbal, imitieren. Dann tauchen Fragmente eines eingängigen Themas, welches wahrscheinlich ein Tanz ist, auf. Diese wechseln sich mit tonleiterartigen Aufgängen, chromatischen Abgängen und weiteren Trillern ab. Es folgen einige sprunghafte, fröhliche Melodien mit einer polkahaften Begleitung, welche oft eine Oktave höher sequenziert werden. Nach einem ruhigen Zwischenteil führt Liszt das Stück in einen imposanten, rasanten Schlussteil über und schließt mit einer voluminösen Verarbeitung des Themas.

Linda Gilbert


1 Gerhard J. Winkler, „Noch einmal: Franz Liszts ‚XX. Ungarische Rhapsodie‘. Rekonstruktion einer Unterstellung“, in: Burgenländisches Landesarchiv (Hrsg.), Burgenländische Heimatblätter 48, Eisenstadt 1986, S. 176–184, hier: S. 176.
2 Vgl. ebd., S. 177.
3 Ebd., S. 176.
4 Vgl. ebd., S. 177.
5 Ebd., S. 177, 178.
6 Vgl. ebd., S. 178.
7 Ebd., S. 179.
8 Vgl. ebd., S. 184.
9 Vgl. ebd., S. 180.
10 Ebd., S. 181.