„Entartete Musik“ und Verfolgung jüdischer Musiker in Deutschland. Verfolgte jüdische Musiker in Weimar und Thüringen
Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Juden im deutschsprachigen Kulturraum Zugang zu allgemeiner Bildung bekamen, waren auch zahlreiche Musiker jüdischer Abstammung aus der deutschen Kultur nicht wegzudenken. Ihr Anteil am Musikleben stieg insbesondere im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts an. Komponisten und ausübende Künstler, Theoretiker und Musikschriftsteller, Verleger und Musikorganisatoren – auf jedem Gebiet sind unzählige Namen deutsch-jüdischer Musiker zu nennen, ohne die die Musikentwicklung völlig undenkbar gewesen wäre. Andererseits hatten viele jüdische Musiker bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert unter den Auswirkungen des wachsenden rassischen Antisemitismus zu leiden, sie wurden schon vor der Nazizeit zunehmend diskriminiert. Nach der Machtergreifung Hitlers erlebte das Musikleben im Deutschen Reich, später auch in den annektierten bzw. besetzten Ländern Osteuropas durch antisemitische Verfolgungen einen beispiellosen Aderlass. Berufsverbot, Enteignung und Ausschluss aus dem öffentlichen Leben waren für Juden nur die ersten Schritte auf dem Weg zur planmäßigen Vernichtung.
Die Diskriminierung von Juden war in den 1920er-30er Jahren nicht nur in Deutschland, sondern in vielen anderen europäischen Ländern, vor allem in Osteuropa, fest verankert. Götz Aly: „Europa gegen die Juden“. Beispiele: in Litauen, Polen, Rumänien, Ungarn wurden rigide Quoten für Studium und Berufsausübung festgelegt, der Anteil jüdischer Ärzte, Anwälte, Unternehmer, Kaufleute sollte damit gesenkt werden. Grund dafür ist der Nationalismus mit Minderwertigkeitskomplexen: Man empfindet seine Schwäche, man muss sich schützen, weil man in einem freien und offenen Wettbewerb nicht in der Lage ist, sich zu behaupten. Man braucht Schutz, Quoten, der Staat soll das regeln. Die Überlegenheit der Juden auf intellektuellen Gebieten wurde gleichermaßen mit Diskriminierungsgesetzen und Gewaltaktionen bekämpft. Gleichstellungbeauftragte an Universitäten mussten aufpassen, dass die Quoten für Juden nicht überschritten wurden. Nach dem Krieg wurde eine systematische Diskriminierung im ganzen Ostblock, insbesondere aber in der Sowjetunion bis zur Wende praktiziert.
Das NS-Deutschland war Teil dieses judenfeindlichen Systems. Dort wurde allerdings eine radikale Lösung praktiziert: ein vollständiger Ausschluss der Juden aus dem kulturellen, akademischen und wirtschaftlichen Leben.
Einige Protagonisten der Verfolgung jüdischer Musiker
Literatur
- Sophie Fetthauer: Musikverlage im "Dritten Reich" und im Exil, Hamburg, 2004
- Sophie Fetthauer: Deutsche Grammophon. Geschichte eines Schallplattenunternehmens im "Dritten Reich", Hamburg 2000
- Eckard John: Musikbolschewismus: die Politisierung der Musik in Deutschland 1918-1938, Stuttgart-Weimar 1994
- Michael Custodis und Albrecht Riethmüller (Hrsg.): Die Reichsmusikkammer. Kunst im Bann der Nazi-Diktatur, Böhlau Verlag, Köln 2015