Alexander Merzyn

Versuchslabor in Cottbus

Noch nicht einmal vier Monate im Amt wirbelte das Coronavirus Mitte März die Pläne des neuen Cottbuser Generalmusikdirektors Alexander Merzyn durcheinander. Schnell entwickelten der HfM-Dirigierabsolvent und seine Cottbuser Kolleg*innen einen „Digitalen Spielplan“, überraschten die Menschen vor Ort aber auch mit vielen neuen Formaten. Am 7. Juni spielten Mitglieder des Philharmonischen Orchesters als eines der ersten Ensembles in Deutschland ein Open-Air-Konzert in einem Autokino.

„Das Wichtigste in dieser Zeit war für mich, die Situation nicht nur als Beschränkung, sondern als Inspiration zu sehen“, erzählt Alexander Merzyn. Während einer Autofahrt erinnert er sich, wie der reguläre Spielbetrieb eingestellt werden musste – und wie das Staatstheater Cottbus mit dieser Herausforderung umgegangen ist.

Nachdem die Mitglieder des Philharmonischen Orchesters relativ schnell bereit waren, für die Bewohner*innen von Senioren- und Pflegeheimen zu spielen, überraschte der HfM-Absolvent mit seiner Initiative „Konzerte für Cottbus“ bald auch andere Cottbuser Bürgerinnen und Bürger.

Jeden Tag um 18 Uhr tauchten die Philharmoniker irgendwo in der Stadt auf und spielten für die Menschen, die sich in diesem Moment zufällig dort aufhielten. „Für uns war es eine tolle Gelegenheit, andere Leute zu erreichen, die uns überhaupt nicht kennen oder die nicht ins Konzert gehen“, so der GMD.

Das Programm war bunt gemischt, umfasste im Wesentlichen aber klassische Musik für kleinere und größere Besetzungen. „Wenn wir zum normalen Spielbetrieb zurückkehren, können wir dieses Format natürlich nicht täglich durchhalten. Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir es in angepasster Form fortsetzen.“

Ein Highlight dieser ungewöhnlichen „Spielzeit“ war zweifellos das Open-Air-Konzert beim Lausitzer AutoKinoFestival am 7. Juni. „Das war für uns eine absolute Premiere. Open air zu spielen sind wir gewohnt, aber in dieser Form war es vollkommen neu für uns“, erzählt Alexander Merzyn. Nach dreimonatiger Zwangspause war es das erste Konzert für das Philharmonische Orchester.

Beinahe wäre das Konzert ins Wasser gefallen, weil es an dem Abend regnete. Aber das Improvisieren fiel den Musiker*innen und seinem Dirigenten inzwischen nicht mehr schwer – auch das hatte Corona sie gelehrt.

Das Programm wurde leicht verändert, und die Sängerinnen und Sänger gingen mit Regenschirmen auf der Bühne. „Das war schon aufregend. Etwa 130 Autos standen aufgereiht vor uns, wir sahen nicht, wer darin saß, und hörten auch keinen Applaus. Aber die Resonanz im Nachhinein war sehr positiv. Es war sehr bewegend, das mitzubekommen“, erinnert sich der 37-Jährige.

Daneben hat Alexander Merzyn mit seinen Cottbuser Kolleg*innen auch den „Digitalen Spielplan“ fürs Netz entwickelt: In der Reihe „MontagsLauschen“ haben die Opernsolist*innen ausgewählte Lieder aufgenommen und auf der Website und den Social-Media-Kanälen des Staatstheaters veröffentlicht. Außerdem haben die Künstler*innen und Mitarbeiter*innen Einblick in ihren Alltag gewährt und Fragen des Publikums beantwortet.

„Diese Zeit hat uns gezwungen, etwas Neues auszuprobieren“, resümiert der Cottbuser Generalmusikdirektor. „Es bedeutete viel mehr, als einen Ersatz für das bisherige Programm zu finden. Es hat sich zu einem Versuchslabor verwandelt.“

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Alexander Merzyn studierte in Weimar Orchesterdirigieren bei den Professoren Nicolás Pasquet, Gunter Kahlert und Anthony Bramall. Zuvor hatte er bereits ein Violoncello-Studium in Berlin bei Jens Peter Maintz abgeschlossen und spielte beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter Kent Nagano sowie beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Marek Janowski.

Als Dirigent konzertierte Alexander Merzyn mit zahlreichen Orchestern in Europa und Asien, darunter mit der Dresdner Philharmonie, dem MDR-Sinfonieorchester, der Deutschen Radio Philharmonie, der Staatskapelle Schwerin, den Bremer Philharmoniker und dem Vanemuine Symphonieorchester in Estland.

Ab der Spielzeit 2015/16 war er als 1. Kapellmeister am Landestheater Coburg engagiert, bevor er zur Spielzeit 2017/18 in gleicher Position an das Staatstheater Cottbus wechselte. In der Spielzeit 2018/19 war er dort kommissarischer Generalmusikdirektor, im Dezember 2019 übernahm er die Leitung des Philharmonischen Orchesters als Generalmusikdirektor.


[30.07.2020]